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UNiMUT aktuell -- September 2003

Landverschickung, Weltreisen, die Himmelfahrt der 40000 und das Einmauern des Bauern

Wusstet Ihr schon... (03.09.2003)

...dass die Studi-Landverschickung a.k.a. ZVS nicht zwingend ein Schicksal ist? Schon seit Jahren nämlich bietet der VSB eine Tauschbörse an, die Studis, die zwar was bundesweit Zulassungsbeschränktes studieren, aber gern in eine andere Stadt wollen, mit anderen Studis zusammenführt, die in die andere Richtung wechseln wollen. Dank moderner Technik bietet jetzt auch der UNiMUT die Tauschwünsche nach Heidelberg, also eure Wechselmöglichkeiten, an, in etwa wochenaktuell. Wenn ihr also wegwollt: Guckt bei unserer Studienplatztausch-Seite vorbei.

...dass TheologInnen manchmal tatsächlich übersinnliche Kräfte zu haben glauben? Dies jedenfalls würde erklären, warum am 27.8.2003 auf der Homepage der Heidelberger Theologie ein Satz wie "Die Verleihung [eines Ehrendoktors an Jürgen Gohde, Red.] fand im Rahmen einer akademischen Feier in der Aula der Alten Universität am 15. November 2003 statt." (Hervorhebung durch die Red). Ganz klar ist allerdings nicht, ob das Tempus, das offensichtlich kennzeichnen soll, dass der Herr schon bei der Schöpfung die 40000 Gerechten (die dann Ehrendoktoren der Uni Heidelberg bekommen) ausgewählt hat, hier wirklich ganz korrekt ist. Aber wie auch sollte das arme Deutsche diesen profunden Inhalt anders transportieren?

...dass nichts los ist? Nicht nur die Abwesenheit von Staus auf den Autobahnen Nordrhein-Westfahlens bekommt in diesen Zeiten Nachrichtenwert, sondern auch der Umstand, dass der Terminkalender der Uni Heidelberg (dessen sinniger Titel "Semper Apertus" ist) für die Woche vom 1. bis 7.9. gerade mal drei Termine verzeichnet, während in guten Zeiten locker mal 30 Vorträge allgemeinen Interesses hervorrufen sollen. Die drei einsamen Referate tragen übrigens die Titel "Prävalenz und prognostische Bedeutung depressiver Störungen bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit", "The Comparison of Thalamocortical Activation among the Motor, Sensory and Association Cortices" und "The Molecular Basis of Gastric Cancer".

...dass es auch im nächsten Jahr wieder viele Gelegenheiten gibt, Scheine an exotischen Orten zu machen und dabei in Einzelfällen auch noch Kost und Logis für umme zu kriegen? Möglich macht das das AAA und seine Austauschprogramme z.B. mit der Uni St. Petersburg, der Hebrew University Jerusalem oder der Kyoto University; Infos dazu gibts im Zimmer 56 der ZUV oder im Netz. Wer nicht gleich ein ganzes Semester gehen möchte, findet an den gleichen Stellen auch Infos über Sprachkurse (z.B. in Pisa, Krakau oder Prag); wer im Sommer 2004 dabei sein möchte, sollte sich bereits jetzt bewerben. Das krönende Highlight aber kommt nicht vom AAA, sondern vom DAAD: Sprachkurse in Usbekisch, Tadschikisch und Kirgisisch, die noch in diesem September und Oktober vor Ort in Samarkand und Bischkek stattfinden. Wer da mit von der Partie sein will, sollte noch "heute" (was immer dieses heute nun sein mag) Eva-Maria Schuth unter 0228/882 115 anrufen.

...dass das Europäische Parlament von den Protesten des UNiMUT und anderer gegen die Patentierbarkeit von Software und Algorithmen immerhin so beeindruckt war, dass es die Abstimmung über diese Frage auf den 22.9. verschoben hat? Und das ein symbolisches Datum, denn 400 Jahre vorher, so sagt unsere Jahrestag-Maschine, hat der Rohrbacher Bauer Hans Eisengreyn ein Attentat auf den hasenjagenden Kurfürst Friedrich IV verübt, der vor lauter Jagdvergnügen Eisengreyns Felder verwüstet hat. Dass Eisengreyn zur Strafe lebendig eingemauert wurde, lässt Böses befürchten.

Walter I. Schönlein

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Altstadtmensen in der Krise

Stimmt so nicht (10.09.2003)

Doch kein Geheimtipp: Eine zufällige Auswahl aus den Delikatessen, die mensch in den letzten Tagen als Eat&Meet-"Tagesessen" zu 2.10 Euro kredenzt bekam.

Am Anfang der Semesterferien dürften sich nicht wenige Studis in der Altstadt gewundert haben: Der Mensa-Speiseplan war Makulatur, es gab nur noch "Freeflow"-Essen zu Preisen, die mensch wohl auch auf Autobahnraststätten schon mal gesehen hat. Vielleicht auch auf unsere Kritik hin kündigte das Studentenwerk an, doch ein erschwingliches Tagesessen in der Altstadt, nämlich im Eat&Meet in der Triplexmensa anzubieten. Trotz unserer Zweifel, wie in der doch recht beengten "Mensaria" wohl nennenswert viele Essen ausgegeben werden sollten, ließen wir uns zu einer Empfehlung dieser Option hinreißen. Nun, wer an einen guten Willen der Studiwerks-Geschäftsführung glaubt, verdient es wohl, sich in einem Nachtrag korrigieren zu müssen, denn, das, was da im Eat&Meet über den Tresen ging, hatte mit dem Tagesmenü aus dem Speiseplan wenig gemein. Immerhin hatte bereits die Ankündigung gereicht, um Planungen zu einer kleinen Protestaktion in tiefste Augustträgheit zu versetzen.

Nach über einem Monat Erfahrung mit diesem Tagesessen müssen wir konstatieren: Der Weg ins Feld -- dort gibt es immer noch normale Mensakost -- lohnt. Der Mensa-Ersatz zu 2.10 Euro aus der Mensaria wäre jederzeit als freche Satire des "real thing" zu gebrauchen. Wenn überhaupt noch einer der fünf vorbereiteten Bratlinge da ist, bekommt mensch in der Regel etwas Reis (alternativ Nudeln), etwas Bratling-ähnliches, vielleicht etwas China-Gemüse und, so gewünscht, vielleicht etwas Soße, meist nichtvegetarisch. Salat oder Suppe sind Fehlanzeige. Das Fleischprogramm sieht ähnlich aus.

Allen Ernstes sollte das Studiwerk in den nächsten Ferien lieber den Marstall (oh, sorry, das Zeughaus) statt der Triplex dichtmachen, selbst wenn aufgrund der hohen Preise vielleicht der Zuschussbedarf des Freeflowens geringer ist, es angesichts der in den Umbau geflossenen Millionen weh tut und auch die Geschäftsführer-Ideologie dagegen sprechen mag. Essen Marke Marstall (oh, sorry, Zeughaus) gibts nämlich zumal in der Umgebung der Heiliggeistkirche aus privater, nichtgeförderter Hand zuhauf. Liefert das Studiwerk auch nur nouvelle cuisine der gehobenen Art, wäre der Landeszuschuss allein noch aus besseren Arbeitsbedingungen bei der Anstalt öffentlichen Rechts zu begründen. Wäre, denn dank der etwas zwielichtigen "Hochschul-Service GmbH", mit der das Studiwerk die Schutzvorschriften aus Tarifverträgen der öffentlichen Hand unterläuft, fällt auch dieses Argument flach.

Die Konsequenz dieser Überlegungen wird dem Studiwerks-Geschäftsführer Gutenkunst sicher auch nicht gefallen, so oder so. Und damit keine Unklarheiten aufkommen: Dies ist als Mahnung an das Heidelberger Studiwerk und nicht als Tipp für unseren Kontaktbereichsbeamten am Stuttgarter Ministerium gedacht.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 11.05.2005

Anekdoten aus Privatien

Die kommenden Sachzwänge (12.09.2003)

GATS und TRIPS werden derzeit auf der WTO-Konferenz in Cancún verhandelt -- und damit die nächsten "Sachzwänge", die uns vorgesetzt werden, wenns um die Durchsetzung von Schmalspurstudiengängen, Studiengebühren, Patentirrsinn, die Abschaffung der Krankenversicherung, das weitere Öffnen der Wohlstandsschere im eigenen Land wie auch international und all die anderen hässlichen Dinge geht, die derzeit so im Interesse von Leistungsträgern und dem Vaterland so geköchelt werden. Dass der laue Widerstand, der sich da so regt, reicht, darf bezweifelt werden -- zumal lokal das Bewusstsein, dass genau jetzt die nächsten Schritte zur angeblich so von selbst verlaufenden "Globalisierung" vereinbart werden, nicht furchtbar ausgeprägt ist.

Derweil gibts, ausreichen Zynismus vorausgesetzt, im großen Privatisierungsboom auch mal was zu lachen: Schon vor einiger Zeit hat das Oberlandesgericht München Werner Heuser untersagt, seine Webseite mit Informationen über Unix auf mobilen Rechnern MobiliX zu nennen. Geklagt hatte Les Éditions Albert René als Rechtsnachfolger von Uderzo und Goscinny, die ihr Markenrecht auf Obelix verletzt sah. Vor einigen Tagen nun hat der Bundesgerichtshof den Einspruch gegen diese Entscheidung ziemlich kommentarlos zurückgewiesen.

Es mag im Prinzip recht irrelevant erscheinen, wie nun eine Webseite heißt. Wenn allerdings Leute, die erheblich (zumal unbezahlte) Arbeit in ein (zumal recht lobenswertes) Projekt stecken, von Leuten, die mit unserem Geld quasi beliebige Anwaltsscharen bezahlen können, mit Klagen um 250000 Dollar überzogen werden, ist es schon nicht mehr lustig. Und wenn letztlich die Sprache selbst privatisiert wird und ganze Gruppen von Wörtern als Eigentum von Konzernen verhandelt wird, möchte mensch eigentlich mehr heulen, zumal es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis entweder die Heidelberger Zement oder die Heidelberger Druckmaschinen entweder die Uni Heidelberg oder doch gleich die Stadt auf Zahlung von Lizenzgebühren verklagen werden. Ein Glück, dass die letzten Asterix-Hefte eh doof waren.

Auf die nächste Stufe treibt diesen Wahnsinn derzeit die Deutsche Telekom, selbst ein Produkt des Privatisierungswahns. Sie hätte gern den Buchstaben T sowie die (für Drucker nicht so exotische) Farbe Magenta als Privateigentum anerkannt und versucht dies durch Domainsquatting und Prozesse durchzusetzen: "[Wir] müssen daher streng darauf achten, dass das T nur für die Deutsche Telekom und seine [sic] Produkte steht," so Stephan Althoff, der als "Leiter Markenführung und Werbung" (im Ernst) bei der Deutschen Telekom was tut, was mit viel gutem Willen auch als Arbeit durchgeht. Das ist kein Witz.

Und schließlich darf mensch noch einen Jahrestag begehen: Der gewaltige Backlash gegen alles, was Gewerkschaften und fortschrittliche Menschen seit 1850 dem Kapitalismus an Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit abgetrotzt haben, begann vor ziemlich genau 30 Jahren am 11.9.1973 in Santiago de Chile. Damals putschte das chilenische Militär mit (trotz aller gegenteiligen Behauptungen wohlbelegter) massiver Unterstützung der USA und rettete das chilenische Kupfer für die Weltwirtschaft. In der Folge drückte das Pinochet-Regime auf blutigste Art die ersten "Strukturanpassungsprogramme" gemäß neoliberaler Ideologie durch. Als 1979/80 der Backlash mit Thatcher und Reagan im aufgeklärten Westen ankam, hatte er im Süden schon seine ersten paar Millionen Opfer gefordert.

Zur Erinnerung an diesen historischen Wendepunkt veranstaltete das Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg am Donnerstag eine Kundgebung am Bunsenplatz mit Musik, Erinnerungen und einem Theaterstück, das die Brücke zum Elftenseptember neuer Zeitrechnung schlug. Wer nicht da war, ist trocken geblieben.

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Die Universität bekommt eine neue Kanzlerin

Was beim Bundespräsidenten nicht geht... (17.09.2003)

Seit gestern ist es offiziell: Marina Frost wechselt von Göttingen nach Heidelberg -- fast sicher, denn der Ministerpräsident, der dies noch bestätigen muss, wird sich dem Wunsch des Senats nicht entziehen. Laut Süddeutscher Zeitung betrug die Ablösesumme 50000 Euro.

Die Rede ist nicht von Stürmern und Verteidigern, sondern von Kanzlern, genauer Kanzlerinnen, noch genauer Uni-Kanzlerinnen. Denn obwohl viele Mitglieder der Universität (insbesondere die des vierten Standes, der Studis) sich darüber nicht im Klaren sind: Es gibt so ein Amt auch an den Stätten höchster Bildung.

In der Tat laufen bei den KanzlerInnen häufig die Fäden der Macht zusammen. Einerseits sitzen sie kraft Amtes im von UG-Novelle zu UG-Novelle immer weiter gestärkten Rektorat -- andererseits verlassen sich nicht wenige Rektoren, die vor ihrem Amtsantritt nicht unbedingt immer die große Ahnung von Verwaltung haben, nicht selten sehr stark auf das Urteil ihrer "Verwaltungschefs" (denn so könnte mensch die Rolle der KanzlerInnen in der Uni umschreiben). Und so hing es oft genug von letzteren ab, ob bestimmte Sachen liefen oder nicht. Erklärte beispielsweise die Kanzlerin, dass Mittel übertragbar seien, dann lief das auch irgendwie, sah sie Probleme, lief es eben nicht. Ob diese Auskünfte immer so objektiv waren, sei dahingestellt, dagegen tun konnte mensch nicht viel.

Die zentrale Aufgabe des/der KanzlerIn ist nämlich die Aufstellung der Unterlagen für den Haushaltsplan und später seine Umsetzung, und auch wenn am ganzen Haushaltsprozess durchaus weitere Gremien beteiligt sind, ist klar, dass die Vorbereitung der Beschlussfassung über den Haushalt eine bedeutende Machtstellung ist; wer nicht voll in der Materie drin ist, wird Vieles übersehen, zumal wenn "es" noch ein wenig getarnt ist -- und natürlich haben Zahlen, die schon da stehen, eine so große Überzeugungskraft, dass auch Gremienmitglieder schon eine gefestigte eigene Agenda haben müssen, um an ihnen noch rütteln zu wollen.

Kanzler und Kanzlerin saßen in Heidelberg oft jahre- oder jahrzehntelang in der Verwaltung, sie kannten die Abläufe; Rektoren kamen und gingen, sie aber blieben. Wer einen guten Draht zur KanzlerIn hatte, konnte mit etwas Glück am übrigen Rektorat vorbei sogar Stellen besetzen (Stichwort Sprachlabor), selbst wenn der eigentlich zuständige Fakultätrat ganz andere Pläne hatte.

Sprich: wer auf dem Kanzlerstuhl sitzt, ist mächtig. Wie sich das ändert, wenn auch der Rektor sechs statt wie bisher vier Jahre seine Kette trägt und die Kanzlerin von außen kommt (und dazu nach neuem UG nur auf acht Jahre amtiert), wird spannend.

Aber zurück zur vorliegenden Neubesetzung: Die bisherige Kanzlerin, Romana Gräfin Hagen, InsiderInnen als "die Gräfin" bekannt, hatte Anfang des Jahres angekündigt, ihren Hut im Dezember nehmen zu wollen -- die vielen Opfer von SAP R/3 (oder dessen Nichtfunktionieren) werden darüber wohl kaum getrauert haben. Zur Neubesetzung ihrer Stelle wurde nach dem neuen UG vom Vorsitzenden des Hochschulrats eine Kommission eingesetzt, die, nachdem sie mit den eingegangenen Bewerbungen nicht so glücklich war, lange und intensiv geforscht hat und nun auf die Kanzlerin und Vizepräsidentin der Uni Göttingen gekommen ist.

Wesentlich zu dieser Entscheidung beigetragen haben mag der Umstand, dass die Uni Göttingen es irgendwie geschafft hat, trotz der Einführung von SAP R/3 weiter zu funktionieren, was bei der Uni Heidelberg und ihrem Impulse-Projekt bei weitem nicht gesichert ist. Gewiss schien manchen PrivatisierungsträumerInnen auch der Status der Uni Göttingen selbst sehr attraktiv: Sie ist seit ein paar Jahren Stiftungsuni und damit schon fast richtig toll privat. In den Worten von Rektor Hommelhoff klingt das dann so: "Die vielfältigen Erfahrungen von Frau Dr. Frost, vor allem bei der Umstrukturierung einer Universität, werden für Heidelberg auf dem Weg zu noch mehr Eigenverantwortlichkeit und Wettbewerbsstärke ohne jeden Verzug sehr hilfreich sein."

Die 53-jährige Juristin Frost wird von studentischer Seite schon mal als "knuffig" beschrieben -- wie viel davon übrig bleibt, wenn sie auch hier ihre "Reorganisationsprojekte" (O-Ton Rektor-Pressesprecher Schwarz) von Gebäudemanagement bis Studisekretariat (Hinweis der Redaktion an die neue Kanzlerin: Das ganze Dezernat 2 außer dem Studentensekretariat müsste dringend mal richtig kräftig reorganisiert werden. Kräftig.) durchzieht, werden wir abwarten müssen. Dass sie schon mal eine Konferenz zum Thema Regime-Shopping (we´re not making this up) veranstaltet, lässt jedenfalls nicht viel Gutes ahnen. Ein Lichtschimmer: Gerüchten zufolge hat es Frost gar nicht mehr so gut in Göttingen gefallen, nachdem die Uni Stiftungsuni geworden war...

Und derweil werden wir ein Auge darauf haben, ob Altkanzlerin Hagen wirklich einen Beratervertrag bei SAP bekommt. In der Redaktion laufen da schon die Wetten...

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.01.2004

Europas BildungsministerInnen beschließen "abgestimmte Hochschulreform"

Einheitlicher Europäischer Hochschulschaum (20.09.2003)

BildungsministerInnen aus vierzig Staaten Europas haben sich am 19. September in Berlin nach zweitägiger Sitzung auf abgestimmte Veränderungen im Hochschulwesen sowie ein gemeinsames Abschlusskommuniqué verständigt.

Dieses Ergebnis fasst das Bundesbildungsministerium in einer Presseerklärung wie folgt zusammen: "In einem europäischen Hochschulraum sollen Studierende und Wissenschaftler ganz selbstverständlich grenzüberschreitend zwischen den Hochschulen wechseln können. Außerdem soll es in Zukunft ein weitgehend einheitliches, auch fremdsprachliches Diploma Supplement geben, um die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse in den Hochschulen und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Bis zum Jahr 2005 sollen in allen Ländern Strukturen für die interne und externe Qualitätssicherung von Hochschulen geschaffen sein. Außerdem gilt es, das zweistufige System von Bachelor- und Masterabschlüssen nun vollständig einzuführen."

Worauf diese verbale Schaumschlägerei, die seit 1999 unter der Etikette "Bolognaprozess" statt findet, hinausläuft, ist noch nicht ganz absehbar. In erster Linie wird jedoch vermutlich eine quantitative und qualitative Nivellierung des Studiums erfolgen. Im Vordergrund steht hierbei das Bestreben, die meisten Studierenden vor allem schneller und immer weniger Studierende gründlich und wissenschaftsnah auszubilden -- in Baden-Württemberg sollen z.B. in Zukunft nur 20% der AbsolventInnen eines BA-Studiengang ein Masterstudium aufnehmen dürfen, während bundesweit die KMK immerhin nur empfahl, eine Mehrheit vom Master fernzuhalten. Zudem sollen die Lehrveranstaltungen verstärkt in Häppchenform angeboten werden ("Module"), die angeblich besser zu kombinieren (vor allem aber mittelfristig leichter abzurechnen) sind.

Ziel der Veränderungen ist die Einführung des "angelsächsischen Modells", eine Erfindung zeitgenössischer Hochschulideologen, die aus einem dreijährigen Bachelor- und einem darauf aufbauenden einjährigen Master besteht. Dieses Modell passt per definitionem für alle Fächer, was inhaltliche Diskussionen spart und die Vergleichbarkeit ermöglicht. Wurde dies anfangs noch als "Harmonisierung" bezeichnet, so verspricht man sich inzwischen durch die Angleichung der bisherigen Systeme eine Bewahrung der Vielfalt der kulturellen und wissenschaftlichen Traditionen. Auch Mobilität und Flexibilität sollen gefördert werden: Studienleistungen sollen leichter anrechenbar werden, unter anderem dadurch, dass man auf einem sogenannten diploma supplement zusammenfasst, was man im jeweiligen Studium eigentlich gemacht hat. Während sich das Papier ansonsten über die Gebührenfrage ausschweigt, wird hier ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Ausstellung des diploma supplement "free of charge" erfolgen solle. Wenn hierauf extra hingewiesen wird (und dann nur von sollte die Rede ist), dürfte klar sein, dass das meiste andere zu bezahlen sein wird.

Auch nach dem Master soll es weitergehen -- in einem Promotionsstudium a la Bolognese: "Ein hoch stehendes, möglichst interdisziplinär angelegtes Doktorandenstudium soll nachhaltig dazu beitragen, dass Europa zu Spitzenleistungen in Forschung und Innovation besser befähigt wird," so das BMBF. Auch wenn "interdisziplinär" recht nichtssagend ist, beachte man, dass hier immerhin am Rande auch inhaltliche Fragen berücksichtigt werden!

Eines ist klar: die Sauce Bolognese soll rasch über die bisherigen Systeme gegossen werden. Doch eine echte Bolognese enthält Hackfleisch. Und wenn die nicht aus den Studis gewonnen wird, woraus dann?

Zur weiteren Einarbeitung in die Thematik sei wärmstens auf eine Stellungnahme des BdWi verwiesen. Weitere Originaltexte und Artikel gibt es im ZFB.

Nachtrag (14.10.03): in der heutigen Sitzung des SAL wurde verkündet, dass auch an der Uni Heidelberg bis 2005 nur noch Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten werden sollen; Lehramtsstudiengänge bleiben jedoch -- voraussichtlich -- noch bestehen. Die Senatskommission zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erarbeitet gerade Empfehlungen für die künftige Organisation des Promotionsstudiums an der Uni Heidelberg. Wer Interesse hat, an der Diskussion mitzuwirken, kann über Redaktion oder die FSK Kontakt zu denen aufnehmen, die sich in und um die Gremien mit der Thematik befassen.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 30.11.2003, 03.01.2004, 09.03.2005, 15.06.2005

Die Sechziger, Zeitmangel, Sao Paulo, Porto Alegre

Wusstet Ihr schon... (24.09.2003)

...dass eure Profs in Zukunft mehr Zeit für euch haben? Das Land hat nämlich die Regelarbeitszeit für BeamtInnen auf sechzigerjahremäßige 41 Stunden erhöht. Der Trend geht ganz klar zu gestern.

...was ihr machen könnt, wenn ihr keine Zeit habt? Weniger tun und nicht unbedingt in Regelstudienzeit fertig werden wäre eine Option, vielleicht ist jedoch auch das ZSW-Angebot eines Zeitmanagement-Kurses einen Versuch wert, zumal er mit 10 Euro in den heutigen Zeiten quasi zum Spottpreis kommt. Weitere Kurse in der Lernwerkstatt tragen die Titel "Lernen lernen", "Wissenschaftliches Schreiben", "Stressbewältigung" und "Rhetorik und Präsentation". Die Kurse sind jeweils eintägig, nähere Informationen bekommt ihr im Kursbüro, Heidelberg-54 3807.

...dass immer noch Stipendien oder zumindest Gebührenerlasse für viele reizvolle Destinationen winken? Von der Lula-Heimat Porto Alegre bis Hongkong könnt ihr fast alle Kontinente besuchen (zum Südpol gehts allerdings allenfalls mit der Umweltphysik). Bewerbt euch, solange ihr noch Zeit für den Papierkram habt, die Infos dazu gibts im AAA, Zimmer 56, ZUV, Seminarstraße 2.

...was mal ein echt innovatives Businessmodell ist? Einfach: In Zeiten, in denens gern mal etwas schneller sein darf, Buchautomaten aufstellen. Darauf ist jedenfalls Fabio Buononetto gekommen, woraufhin er solche Dinger im U-Bahn-System von Sao Paulo aufstellte und jetzt rund 250 Bücher pro Woche zum Preis von je 1.50 Euro verkauft. Renner sind ein Wörterbuch der Mathematik und praktische vegetarische Rezepte. Irgendeinen Preis sollte mensch für dieses Konzept doch eigentlich bekommen können, oder?

...dass ihr auch im nächsten Jahr wieder pädagogische Zusatzqualifikationen auf relativ angenehme Weise erwerben könnt? Eine Gelegenheit dazu bietet die Gesellschaft für übernationale Zusammenarbeit mit Unterstützung des Deutsch-Französischen Jugendwerks. Die nämlich sucht für GruppenleiterInnen für deutsch-französische Jugendbegegnungen und bildet diese ab Februar 2004 auch aus. Mitbringen solltet ihr Kenntnisse der deutschen und französischen Sprachen, Geschichten und Landeskunden. Näheres auf der oben angegebenen Webseite oder unter der Telefonnummer 0228/9239-810.

Walter I. Schönlein

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Erzeugt am 24.09.2003

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