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UNiMUT aktuell: Was beim Bundespräsidenten nicht geht...

Die Universität bekommt eine neue Kanzlerin

Was beim Bundespräsidenten nicht geht... (17.09.2003)

Seit gestern ist es offiziell: Marina Frost wechselt von Göttingen nach Heidelberg -- fast sicher, denn der Ministerpräsident, der dies noch bestätigen muss, wird sich dem Wunsch des Senats nicht entziehen. Laut Süddeutscher Zeitung betrug die Ablösesumme 50000 Euro.

Die Rede ist nicht von Stürmern und Verteidigern, sondern von Kanzlern, genauer Kanzlerinnen, noch genauer Uni-Kanzlerinnen. Denn obwohl viele Mitglieder der Universität (insbesondere die des vierten Standes, der Studis) sich darüber nicht im Klaren sind: Es gibt so ein Amt auch an den Stätten höchster Bildung.

In der Tat laufen bei den KanzlerInnen häufig die Fäden der Macht zusammen. Einerseits sitzen sie kraft Amtes im von UG-Novelle zu UG-Novelle immer weiter gestärkten Rektorat -- andererseits verlassen sich nicht wenige Rektoren, die vor ihrem Amtsantritt nicht unbedingt immer die große Ahnung von Verwaltung haben, nicht selten sehr stark auf das Urteil ihrer "Verwaltungschefs" (denn so könnte mensch die Rolle der KanzlerInnen in der Uni umschreiben). Und so hing es oft genug von letzteren ab, ob bestimmte Sachen liefen oder nicht. Erklärte beispielsweise die Kanzlerin, dass Mittel übertragbar seien, dann lief das auch irgendwie, sah sie Probleme, lief es eben nicht. Ob diese Auskünfte immer so objektiv waren, sei dahingestellt, dagegen tun konnte mensch nicht viel.

Die zentrale Aufgabe des/der KanzlerIn ist nämlich die Aufstellung der Unterlagen für den Haushaltsplan und später seine Umsetzung, und auch wenn am ganzen Haushaltsprozess durchaus weitere Gremien beteiligt sind, ist klar, dass die Vorbereitung der Beschlussfassung über den Haushalt eine bedeutende Machtstellung ist; wer nicht voll in der Materie drin ist, wird Vieles übersehen, zumal wenn "es" noch ein wenig getarnt ist -- und natürlich haben Zahlen, die schon da stehen, eine so große Überzeugungskraft, dass auch Gremienmitglieder schon eine gefestigte eigene Agenda haben müssen, um an ihnen noch rütteln zu wollen.

Kanzler und Kanzlerin saßen in Heidelberg oft jahre- oder jahrzehntelang in der Verwaltung, sie kannten die Abläufe; Rektoren kamen und gingen, sie aber blieben. Wer einen guten Draht zur KanzlerIn hatte, konnte mit etwas Glück am übrigen Rektorat vorbei sogar Stellen besetzen (Stichwort Sprachlabor), selbst wenn der eigentlich zuständige Fakultätrat ganz andere Pläne hatte.

Sprich: wer auf dem Kanzlerstuhl sitzt, ist mächtig. Wie sich das ändert, wenn auch der Rektor sechs statt wie bisher vier Jahre seine Kette trägt und die Kanzlerin von außen kommt (und dazu nach neuem UG nur auf acht Jahre amtiert), wird spannend.

Aber zurück zur vorliegenden Neubesetzung: Die bisherige Kanzlerin, Romana Gräfin Hagen, InsiderInnen als "die Gräfin" bekannt, hatte Anfang des Jahres angekündigt, ihren Hut im Dezember nehmen zu wollen -- die vielen Opfer von SAP R/3 (oder dessen Nichtfunktionieren) werden darüber wohl kaum getrauert haben. Zur Neubesetzung ihrer Stelle wurde nach dem neuen UG vom Vorsitzenden des Hochschulrats eine Kommission eingesetzt, die, nachdem sie mit den eingegangenen Bewerbungen nicht so glücklich war, lange und intensiv geforscht hat und nun auf die Kanzlerin und Vizepräsidentin der Uni Göttingen gekommen ist.

Wesentlich zu dieser Entscheidung beigetragen haben mag der Umstand, dass die Uni Göttingen es irgendwie geschafft hat, trotz der Einführung von SAP R/3 weiter zu funktionieren, was bei der Uni Heidelberg und ihrem Impulse-Projekt bei weitem nicht gesichert ist. Gewiss schien manchen PrivatisierungsträumerInnen auch der Status der Uni Göttingen selbst sehr attraktiv: Sie ist seit ein paar Jahren Stiftungsuni und damit schon fast richtig toll privat. In den Worten von Rektor Hommelhoff klingt das dann so: "Die vielfältigen Erfahrungen von Frau Dr. Frost, vor allem bei der Umstrukturierung einer Universität, werden für Heidelberg auf dem Weg zu noch mehr Eigenverantwortlichkeit und Wettbewerbsstärke ohne jeden Verzug sehr hilfreich sein."

Die 53-jährige Juristin Frost wird von studentischer Seite schon mal als "knuffig" beschrieben -- wie viel davon übrig bleibt, wenn sie auch hier ihre "Reorganisationsprojekte" (O-Ton Rektor-Pressesprecher Schwarz) von Gebäudemanagement bis Studisekretariat (Hinweis der Redaktion an die neue Kanzlerin: Das ganze Dezernat 2 außer dem Studentensekretariat müsste dringend mal richtig kräftig reorganisiert werden. Kräftig.) durchzieht, werden wir abwarten müssen. Dass sie schon mal eine Konferenz zum Thema Regime-Shopping (we´re not making this up) veranstaltet, lässt jedenfalls nicht viel Gutes ahnen. Ein Lichtschimmer: Gerüchten zufolge hat es Frost gar nicht mehr so gut in Göttingen gefallen, nachdem die Uni Stiftungsuni geworden war...

Und derweil werden wir ein Auge darauf haben, ob Altkanzlerin Hagen wirklich einen Beratervertrag bei SAP bekommt. In der Redaktion laufen da schon die Wetten...

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 03.01.2004


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Erzeugt am 17.09.2003

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