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UNiMUT im Winterschlaf -- fast alle Inhalte hier sind mindestens fünf Jahre alt und vor allem historisch interessant. Wenn du die Seite magst: Wir lesen unsere Mail noch und helfen dir gerne, den Online-UNiMUT wiederzubeleben. Termine | Wachwechsel im Talar - Jahresfeier am 20.10.01 (25.10.2001)Am 20.Oktober um 10.30 beging die Unispitze wieder einmal die "traditionelle Jahresfeier" der Uni Heidelberg. Die Aula war so gut wie voll, was sicher auch damit zusammenhing, dass das Uniorchester dieses Jahr wohl vollständig Stellung bezogen hatte, inklusive Harfen und Celli, um die Inauguration des neuen Admiralsstabes gebührend zu feiern. Die Führungsspitze, DekanInnen und Rektorat, eröffnete die Veranstaltung mit ihrem feierlichen Einzug, zur Freude vieler Anwesender mit eigens neu angefertigten Talaren angetan. Die Amtsketten hingegen hatte man auch früher schon getragen. Nachdem das Orchester schwungvoll mit Glinkas Ouvertüre zu "Russlan und Ludmilla" begonnen hatte, folgte das weniger entspannende Array der Festreden, eingeleitet von Prorektor Horner, dessen Aufgabe sich auf das Begrüßen der wichtigeren Gäste beschränkte: In erster Linie Geldgeber der Universität, Honoratioren aus der Politik, Überraschungsgast Gadamer und Rektoren von Partnerhochschulen -- neu war die Erwähnung der zahlenmäßig am geringsten vertretenen Studierenden erwähnt. Die erste, so sie das Prädikat denn verdient, inhaltliche Rede dufte Minister Frankenberg halten. In ihr lobte er nach einleitenden Uni-Reform-und-der-Zukunft-zugewandt-Passagen den "Solidarpakt" als Hort der Sicherheit für die Hochschulen. Wen wundert es, erinnert man sich daran, dass Frankenstein sich - damals noch Rektor in Mannheim - durch das Durchsetzen des Solidarpakts sein Ticket in den Ministersessel verdiente. Dass er inzwischen ganz in der Parteipolitik angekommen ist, bewies er, als seine eher dröge Rede auf das Niveau mittelmäßig-peinlicher Wahlkampfreden absackte und er den Anwesenden versprach, die CDU-Fraktion werde für sie kämpfen -- und zwar bei der Abschaffung der ZVS und bei der Ablehnung der Dienstrechtsreform der Bundesregierung. Wie bei seinem Amtsvorgänger Trotha, der unter den Festgästen weilte, war die Rede etwas zusammenhanglos mit launigen Zitaten, u.a. von Goethe und Ebner-Eschenbach angereichert, deren intendierte Aussagen der Frankenbergs Redenschreiber ganz offenbar des öfteren entweder nicht kannte oder jedenfalls fröhlich ignorierte. Richtig schlimm wurde es aber, das sei zugestanden, erst mit dem Zitatedoppel am Ende. Und da war die Rede des obersten Wissenschaftlers im Lande ja auch schon vorbei. Der Vorsitzende der Landesrektorenkonferenz (LRK), Rektor Jäger aus Freiburg, relativierte in seiner anschließenden Rede seinen Dienstherren in einigen Punkten ein wenig. Jäger wies zum Beispiel darauf hin, dass der Solidarpakt auch umfangreiche Streichungen beinhaltet (beinhaltet? Der Solidarpakt besteht *nur* aus Streichungen!, d.S.), ja bereits zur Streichung einiger Fächer geführt hat und aller Voraussicht auch weiter noch führen wird. In puncto ZVS war man sich dagegen wieder einig - wie auch mit fast allen folgenden Vortragenden. Die ZVS, so ihr Tenor, steht per definitionem dem ersehnten Selbstauswahlrecht der Hochschulen entgegen, einem der "Must-Have" der derzeitigen angelsächsischen Hochschulmode. Zur Rede des Vorsitzenden des Unirats, Cartellieri, fiel einem der Gäste beim Empfang nach der Feier nur der Terminus "Betonphrasen" ein, wiederholte er in seiner Rede doch lediglich die Standardsätze vom letzten Jahr, vielleicht hier und dort durch vorsichtige syntaktische Aktualisierungen variiert. Eine Theorie besagt, daß die Deutsche Bank über eine Software zum Redenschreiben verfügt, die mit verschiedener Permutation Schlagwörter und Anglizismen aneinanderhängt. Unser studentisches Grußwort sollte anlässlich des Wachwechsels im Rektorat die studentische Position zur Hochschulreform allgemein und an der Uni Heidelberg im Speziellen zum Ausdruck bringen. Speziell wandte es sich gegen die Umorientierung auf Modefächer, gegen die einseitige Ausrichtung auf neue Abschlüsse (vor allem solche aus Angelsachsien) und plädierte für die Weiterentwicklung der bestehenden Substanz. Diese Ansichten wurden -- geht man vom Applaus aus -- von überraschend vielen Anwesenden geteilt. Allein bleibt abzuwarten, ob sich diese Sympathie auch bei konkreten Entscheidungen zeigen wird... Altrektor Siebke sah sich in seiner folgenden Rede immerhin veranlasst, an einigen Stellen spontan auf diese Rede einzugehen, bedankte sich gar für "nützliche" Gespräche mit den Studierenden. Allerdings vertrat er insgesamt auch Vieles, das die Studierenden vehement ablehnten -- ein kurzer Hinweis auf Studiengebühren soll hier genügen. Prof. Mußgnug, als dienstältestes Senatsmitglied, bedankte sich für den Senat (ohne dies jedoch dort abgesprochen zu haben...) bei Prof. Siebke für die vier Jahre der Zusammenarbeit. Er kündigte Frau Hommelhoff an, sie werde mit ihrem Mann und der Uni nun eine Dreierbeziehung führen müssen und dankte Frau Siebke dafür, dass sie dies auf sich genommen habe. Ob das gutgeht? Seht selbst - auf der nächsten Jahresfeier! Es folgte die Vereidigung des neuen Rektors, und zwar (zurück in die Zukunft!, d.S.) auf Latein. Der alte Rektor las die Eidesformel und bemühte sich hierbei, den Text in einigermaßen korrekter Betonung abzulesen; der neue Rektor betonte seine weitaus kürzere Passage zwar wesentlich besser, vergaß aber das "promitto" der Eidesformel. Das fiel aber niemandem groß auf, denn um den Text ging es nicht - das Hauptaugenmerk der Inszenierung lag auf der Kettenübergabe und der Verkleidung der Agierenden in den neuen Talaren. Als letzter inhalticher Akt folgte der letzte Fachvortrag des neuen Rektors vor seinem Amtsantritt, ein gut verständlicher Vortrag über Unternehmensrecht in Europa und seine Schlupflöcher, für den UNiMUT vielleicht insgesamt zu trocken, aber allemal gut für eine Presseerklärung aus dem Hause Schwarz. Das Collegium Musicum schloss die Veranstaltung schwungvoll royalistisch mit Elgars "Pomp and Circumstance". Mensch mag hoffen, dass es Hommelhoff mehr Glück bringt als der SPD, die 1994 im Bundestagswahlkampf beim Versuch, sich der glitzernden Töne zu bedienen, ziemlich auf die Nase gefallen ist. Nun beginnt das Alltagsgeschäft: ohne Talare, ohne Latein, ohne Ketten - und vielleicht sogar mit guten Resultaten. Dieser Artikel wurde zitiert am: 22.10.2002, 16.07.2003 |
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