Dies hier ist ein Dokument, das nicht vom UNiMUT geschrieben wurde. Der UNiMUT findet das, was hier steht, bestimmt entweder bescheuert oder total gut.


Rede der FSK zur Jahresfeier der Uni 2001

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Minister, Herr LRK-Präsident,

Magnifizenz, Herr Vorsitzender des Universitätsrates, Frau Oberbürgermeisterin.

Die Universität hat in diesem Jahr 2001 das neue Jahrtausend begonnen. Viele Leute meinen, das hätte sie schon letztes Jahr getan. Vielleicht gibt es deswegen noch die doppelte Buchführung: Kameralistik des 19. Jahrhunderts und SAP des 21..

Doch es gibt nicht nur neue Buchführungen, sondern es werden auch neue Gesetze in Bund und Land beschlossen. Die Universitäten müssen sich mit Sorgfalt und Verantwortung den modernisierten Gegebenheiten stellen und sich z.B. der Gesellschaft öffnen - aber ohne sich nur im Strom mitreißen zu lassen. Die „Buzz Words“ der aktuellen politischen Diskussion stammen noch aus dem letzten Jahrhundert. Profilbildung, Life Sciences, Effizienz, Internationalisierung - um nur einige zu nennen. Schauen wir sie uns einmal genauer an.

Profilbildung - Früher sprach man noch von Bildung, heute wird vor allem das Profil gebildet.

Life Sciences - unverzichtbar für die Profilbildung. Im ganzen Land, auch in zig Nachbarländern, sprießen Zentren für Molekular- und Zellwissenschaften aus dem Boden. Sie gelten die Zukunftsdisziplinen unseres Jahrhunderts. Um das Arbeitsfeld sinnvoll abdecken zu können, sollte es jedoch landes- und auch bundesweite Arbeitsteilung und Koordinierung der Projekte geben, und zwar möglichst vor der lokalen Schwerpunktbildung.

Effizienz - ohne sie keine zukunftsfähige Hochschule, mit oder ohne Life Sciences. Vor allem große Strukturen sind effizient, so die offizielle Lesart, da verliert die größte fachliche Heterogenität an Bedeutung - theoretisch. Vollständiger Konsens ist unmöglich, bloßes Abwarten unverantwortlich, und in Einzelfällen haben persönliche Anliegen hinter den Interessen der Mehrheit zurückzustehen. Aber jede oktroyierte Struktur läßt sich schwer halten. Auf Dauer führen nur Lösungen zum Ziel, die von möglichst vielen erarbeitet und getragen werden. Nur so entsteht ein Klima, in welchem man nicht nur de jure zusammenleben muß, sondern es auch de facto möchte - in Lehre, Forschung und Verwaltung.

Internationalisierung - Ein gern gehörtes Wort, dessen Umsetzung vielerorts glauben macht, die neue Weltformel sei USA + UK. Die Konsequenz der derzeitigen Entwicklung wäre, die Universität abzubauen, sie modulweise per Schwertransport in die USA zu schaffen, und sie dort originalgetreu neu zu errichten. Das brächte den kühnen Plänen das geeignete Umfeld, der Universität endlich genug US-Studierende, und den deutschen Studierenden einen garantierten Auslandsaufenthalt, sofern sie die Studiengebühren zahlen können.

Nun Schluß mit den Schlagwörtern. Profilieren kann man sich auch, indem man ab und an einem Modetrend nicht folgt. Man kann Substanz einfach auswechseln, aber sie vielleicht auch entwickeln. Wir müssen nicht die Begriffe „Tigerstaat“ und „EU“ bemühen, um zu sehen, dass die jüngst oder schon über Jahre aufgebauten und gewachsenen Ansätze und Kontakte nach Südostasien, nach Osteuropa, z.B. Polen, aber auch zur alten Freundin Frankreich viel zu wertvoll sind, um sie hintanstehen zu lassen. Das gilt auch für Studierende aus diesen Ländern. Warum den Blick nicht auf die Fähigkeiten richten, anstatt auf die Staatsangehörigkeit? Der Forschung würde das nicht schaden.

Die Lage der Universität Heidelberg, im Herzen Europas, ist ideal, um diese Kontakte auszubauen und damit etwas zu schaffen, das viele andere Hochschulen irgendwann sehnsüchtig im Rückspiegel betrachten werden - und Wenden auf der Autobahn kann schwierig werden. Internationalität heißt eben auch Multinationalität, und bezieht sich auf alle Himmelsrichtungen. Ferner befindet sich Heidelberg nicht nur in der Welt und in Europa, sondern auch in einer Region - in Einzelfällen kann Schwetzingen näher sein als North Dakota. Und ist leichter per Fahrbereitschaft zu erreichen.

Eben sprachen wir von Life Sciences - was ist eigentlich „Leben“? Das Leben umfaßt mehr als Gene und Patente. Auch Philosophie, Soziologie und Germanistik befassen sich mit dem Leben. Daher dürfen im Schatten der neuen Disziplinen und Trends die anderen Fachrichtungen nicht vernachlässigt werden. Gerade unsere Universität bietet eine Vielfalt, die sie einzigartig macht; Interdisziplinarität gedeiht im Neuenheimer Feld und in der Altstadt in einer Weise, wie es kein von oben beschlossenes Programm leisten könnte. Das Wort „Bewahren“ darf nicht per se negativ gesehen werden. Umschichtungen dürfen keiner Mode folgen, und die Zeit zu hochschulübergreifender Koordination sollte auch hier vorhanden sein.

Reformfreudig widmet man sich neuen, und interessanten, Studiengängen, etwa denen in modulorientierter BA- und MA-Programmierung, wobei man darauf achten sollte, daß sie nicht nach zwei Jahren rückwirkend an Impuls verlieren. Engagement verdienen und bedürfen aber auch die weiterhin interessanten, traditionellen geistes-, sprach-, sozial- und naturwissenschaftlichen Studiengänge.

Möchte man ein Fach behalten und in Broschüren Studierende auffordern, sich mit Elan an unserer Universität einzubringen, so übernimmt man Verantwortung für den Lebensweg dieser Menschen; folglich verdient die Lehre ab dem ersten Fachsemester größtmögliche Aufmerksamkeit und Gewissenhaftigkeit.

Wo aber Studierende erst erwünscht sind, wenn sie sich habilitieren, ist es ehrlicher, einen Studiengang zu schließen und ein Forschungsinstitut einzurichten, was ja dem von einigen angestrebten Bild der Forschungsuniversität entspräche. Für die meisten Mitglieder der Universität ist jedoch klar, dass Lehre im ersten Semester beginnt, ihre Qualität nicht mit der Zahl der Scheine verwechselt werden darf, ihre Verbesserung nicht mit Presseerklärungen zu Ranking-Ergebnissen. Ebenso klar ist, daß ihre Sinnhaftigkeit nicht mit formaljuristischer Korrektheit verwechselt werden darf, und insbesondere die Befassung mit Lehre in Gremien nicht mit einem elektrischen Impuls an die Nickmuskulatur.

Ich möchte zum Ende kommen.

Autonomie ist kein Allheilmittel, Strukturpläne sollten keine Fünf-Jahrespläne sein, und wenn heute nicht mehr aus Überzeugung gelehrt wird, gibt es morgen keine Forscherinnen und Forscher mehr. Studierende müssen als Individuen betrachtet werden, nicht nur als Hindernis, das weiträumig zu umfahren ist. Daß es jetzt einen neuen Prorektor gibt, der die stellenweise festgefahrene Kommunikation in Gang bringen soll, begrüßen wir daher. Kommunikation heißt, miteinander reden zu können, um sachgerecht tragfähige Entscheidungen zu erarbeiten. Kommunikation heißt nicht, irgendwann über getroffene Entscheidungen nach „Unten“ Mitteilung machen zu lassen.

Damit es auch am Ende dieses Jahrhunderts nicht nur im Stil der Life Sciences heißt: „Wir funktionieren noch“, sondern in einem grundlegenden Sinne: „Hurra, wir leben noch.“

Vielen Dank.


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