Gegenüber der Deutschen Bahn kann ich qua Gebühren, sprich Ticketpreise,
zwar als Kunde auftreten, das verhinderte aber nicht 20 Minuten
Verspätung bei einer Fahrtdauer von 40 Minuten nach Stuttgart -- dies im
IC, dem Master unter den Zügen, denn die IR, die Bachelors, waren der
Bahn ja nicht mehr exzellent genug. Aber ich kam noch rechtzeitig, um
auch die erste Eingangsrede teilweise zu hören, gehalten von Prof.
Schaich, dem Tübinger Rektor und neuem Chef der Landesrektorenkonferenz
(LRK). Ihm folgten diejenigen der Chefs der Rektoren der Fhen, der Phen,
der Berufsakademien, des Landesverbands des Mittelbaues, des
Landes-GEW-Hochschulbereichs (Christoph Klein-Brabender), eines weiteren
Vertreters der FH-Profs (namens Lerchenmüller), sowie des Sprechers der
Landesastenkonferenz ( LAK), Michael Vogel.
Im gut gefüllten Saal im SPD-Teil des Landtagsgebäudes saßen eine ganze
Bank voller Stuttgarter aller Statusgruppen, ferner einige Tübinger und
viele versprengte aus diversen anderen Hochschulen. Nur wenige meldeten
sich zu Wort, dafür u.U. recht häufig. Carla Bregenzer (zuständig für
den Bereich Hochschulen der SPD-Landtagsfraktion) und eine weitere
Abgeordnete moderierten.
Die Rektorenchefs kritisierten übereinstimmend, mit leichten Variationen
in der Intensität, die Ausrichtung des Landeshochschulgesetzes (LHG) auf
Demokratieabbau und Pseudo-Unternehmensstruktur, insbesondere die
Kompetenzverlagerung auf immer kleinere Gremien wie Rektorat und
Hochschulrat. Ferner wurde die Behandlung der Hochschulen als
"nachgeordnete Behörde" durch nach wie vor weitgehende Einflußnahme etwa
bei Studiengängen angeprangert. Mehrere Redner griffen das Thema der
sogenannten Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschule auf, etwa
bzgl. Forschung, und stellten fest, daß diese letztlich auf Befehle von
oben hinauslaufen, da Verträge "auf Augenhöhe" zwischen Geldgeber und
-nehmer schwer möglich seien. Herr Klein-Brabender wies auf das
gefährliche Fehlen einer Definition dieser Zielvereinbarungen hin -- das
Land kann de facto den Unis alles vorschreiben, was es will, wenn es
hier nicht zu weitergehenden Regelungen kommt. Durch diese Beobachtung
wurde es endlich einmal konkret, gingen doch die Beiträge bis dato nicht
hinaus über die bereits aus den Stellungnahmen der Senate bekannte,
leicht wehleidige Rhetorik. Deren Nachteil besteht darin, daß viele ihr
zustimmen können -- ebensoviele auf den Straßen des Ländles wie der
wohlklingenden Gegensonntagsrede der Landesregierung. Im Ergebnis
resultiert derlei Geplänkel in präzise gar nichts.
Michael Vogel mischte die Runde auf seine Art auf, anmerkend, daß die
Rednerliste leider auch nach dem "Top-down"-Prinzip gestrickt war -- erst
hatten die Rektoren das Wort erhalten, dann die Mittelbauern, er selbst
zuletzt -- und daß sie, abgesehen von den Abgeordneten, ein reine
Männerrunde war. Letzteres mag sich freilich teils aus dem äußerst
geringen Frauenanteil unter den Rektoren (und LAK-Gesandten, nicht wahr)
erklären. Bzgl. des LHG wies er noch auf das Fehlen einer Regelung zur
Verfaßten Studierendenschaft und einen entsprechenden Ergänzungsentwurf
der LAK hin.
In der anschließenden Diskussion ging es, an Michael Vogels Beitrag
anknüpfend, zunächst um die Kompetenzen der Gleichstellungsbeauftragten,
allerdings wiederum, ohne daß es in konkretes oder neues gemündet hätte.
An einigen Hochschulen scheint es aber, unabhängig von der
Gesetzesversion, vom Zufall abzuhängen, ob die Beauftragte zu
Senatssitzungen eingeladen wird. Versprengt folgten danach Anmerkungen
zur Bachelor/Master-Problematik. Carla Bregenzer hakte ein, zur Frage BA/MA werde
es eine eigene Anhörung im September geben, ohnehin sei der Prozeß noch
im Fluß. Jemand rief noch in Erinnerung, daß der Bologna-Prozeß
mitnichten die Abschaffung der Diplom- und Magisterabschlüsse verbietet.
Kurz andiskutiert wurde die Frage, ob man gegen das LHG klagen könne;
Herr Schaich meinte, es sei kritisch, eine Hochschule "autonom" zu
nennen, wenn externe, also Nicht-Hochschulmitglieder, eine Mehrheit in
einem gestärkten Hochschulrat haben. Es entstand aber keine Klarheit
darüber, wer bzw. welche Institution denn die Klage führen, und präzise
welche Stoßrichtung diese haben könne.
Der Vertreter der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter der Uni Hohenheim
wies auf die Datenschutzproblematik in §12 hin, nach welchem die
Grundordnung alle Hochschulangehörigen zum Mitführen von Speichermedien
zur ID-Feststellung etc. verpflichten kann. Der Hinweis stieß indes
leider auf wenig Resonanz -- hier scheint es Nachholbedarf in der
Sensibilisierung zu geben.
Schließlich wandte sich die Aufmerksamkeit den Leitungsstrukturen zu.
Die Tübinger Studivertreter kritisierten die Entmachtung der
Fakultätsräte, andere die Machtfülle der Hochschulräte. Ich führte aus,
das Gesetz als solches und seine Grundausrichtung könne unter der
derzeitigen Regierung nicht gekippt werden. Es sollte aber möglich sein,
konkrete Punkte im Gesetz, etwa bzgl. Berufungen, noch zu entschärfen --
ich verwies auf das Papier der Uni Heidelberg, welches ein Team des
Unabhängigen Modells in einer von dessen Leuten initiierten
Senatskommission mitgeschrieben hatten. Dazu sei Koordination,
Konkretisierung und Kommunikation nötig.
Herr Lerchenmüller knüpfte daran an und gab bekannt, der Minister plane
derzeit, im finalen Gesetzestext eine Option für erweiterte
Fakultätsräte vorzusehen. Die Tübinger berichteten, der Minister habe im
letzten Gespräch mit LAK-Leuten angekündigt, zwei statt nur eines/r
Studivertreters/in in Berufungskommissionen zu setzen. Herr Schaich
forderte, ebenfalls konkret bleibend, die Mitgliedschaft von
Landesbürokraten als Externe in Hochschulräten im Gesetz zu unterbinden,
um den Einfluß des Landes nicht noch mehr anwachsen zu lassen.
Carla Bregenzer schloß schließlich die Runde, faßte die wesentlichen Punkte
zusammen und gab bekannt, daß die SPD eine Anhörung vor dem
Wissenschaftsausschuß durchgesetzt hat, die im Herbst stattfinden werde.
Dies war lange offen gewesen, zeichnet sich das Wissenschaftsministerium
bislang nicht durch Transparenz und Demokratieversessenheit aus, sondern
eher durch pseudoexzellente, i.e. leicht zu umgehende, Geheimniskrämerei.
Als sich die Versammlung auflöste, standen Herr Schaich und einige
andere Profs noch ein wenig beieinander und berieten über die
BA/MA-Frage. Ich trat hinzu und erwähnte die Probleme der Psychologie,
ohne Verlust an Breite ihre Diplome auf BA/MA-Studiendauer einzudampfen.
Herr Schaich bestätigte, die Tübinger PsychologInnen wollten das auch
nicht; die LRK überlege, ob sie gegen den Zwang, die Diplome
abzuschaffen, nicht massiv Front machen wolle.
Mit immerhin einigen neuen Daten hastete ich zurück zum Bahnhof, rang
dem Automaten das Ticket ab und warf mich gerade noch rechtzeitig in den
14.05-Zug -- bevor er mit konkreter, geradezu exzellenter Pünktlichkeit
in die Regenschauer hinausrollte.