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UNiMUT aktuell: Global denken -- in Heidelberg handeln

Global denken -- in Heidelberg handeln (21.12.2002)

Heute vor einem Jahr gingen in Buenos Aires, Argentinien, Hunderttausende auf die Straßen, um gegen die Konsequenzen der Politik des IWF-Musterschülers zu protestieren. Vom Währungsfonds mandatierte "Strukturanpassungsmaßnahmen" führten zu einer breiten Verarmung, zur Demontage der sozialen Sicherungssysteme und machten das einstmals reichste Land Südamerikas zu einem klassischen "Entwicklungsland": Ein schmale Schicht Superreicher, vor der großen Menge Paupers geschützt durch eine etwas breitere Schicht Staatsgewalt. Die Polizei erschoss damals 30 Demonstrierende.

Der Westen, besonders durch seine Organe Weltbank und IWF, organisiert solche Entwicklungen nicht aus Boshaftigkeit. Nein, ein Grund ist unser "Zugang zu Märkten und Rohstoffen in aller Welt", wie es die Bundeswehrdoktrin von 1993 formuliert, bevorzugt mit nichtmilitärischen Mitteln. Vieles von dem, was wir jetzt zu Weihnachten auf die Gabentische packen, gibt es nur, weil Weltbank und IWF dafür sorgen. Der Preis, den wir im Laden für all die guten Dinge zahlen, ist sehr günstig im Vergleich zu dem, was nicht erst seit einem Jahr etwa in Argentinien bezahlt wird.

An diese Zusammenhänge wollten gestern Nachmittag ein paar GlobalisierungsaktivistInnnen aus Heidelberg erinnern, passenderweise zum Höhepunkt des festlichen Kauf- und Konsumrausches. Zunächst versuchten sie, in der Hauptstrasse durch Jonglage und Trommeln, Akrobatik und Musik ein wenig aus dem Geschenkestress zu reißen, nicht zuletzt, um Spenden für ein kommunales Zentrum in Argentinien zu sammeln. Erfreulicher-, fast erstaunlicherweise gab es tatsächlich einige PassantInnen, die sich nicht nur finanziell beteiligten.

Später gab es kleine konsumkritische Aktionen mit verstecktem Theater in diversen Konsumtempeln. So wurde der Versuch, bei Käthe Wohlfahrt das untenstehende Flugblatt zu deklamieren, von den Mitarbeiterinnen des Dauerweihnachtsmarkts schnell unterbunden, im C&A rief ein ähnliches Unterfangen gleich die Geschäftsleitung auf den Plan, während der Streit um ein paar Handschuh beim Kaufhof offenbar für normal gehalten wurde. In einem Pelzgeschäft wimmelte ein Verkäufer die vermeintlichen KundInnen mit einer Telefonnummer ab, unter der mensch genaueres über die Herkunft der feilgebotenen Waren erfragen könnte Die Beschäftigten des Kaufhof hingegen reagierten auf Fragen dieser Art durch Verweis auf jeweils höhere Führungsebenen. Über die Herkunft der Socken beim Kaufhof war so aber auch nichts herauszufinden, nur dass die Fußbälle aus Kinderarbeit kommen, das räumte das Ende der Hierarchie bereitwillig (aber vielleicht ein wenig resigniert) ein. Die Aufmerksamkeit der MitkundInnen war aufgrund des Weihnachtseinkaufsrauschs leider beeinträchtigt, und so war der Einfluss der Aktionen auf den Einzelhandelsumsatz eher gering.

Eine der Beteiligten sagte dem UNiMUT später, es sei ihr klar geworden, dass verstecktes Theater geübt sein will, und dass die Hemmschwelle in den Kaufhäusern doch wesentlich höher ist, als sie erwartet hätten. Aktionen dieser Art will sie aber trotzdem wieder probieren, hoffentlich in verbesserter Form durchführen.

Das Flugblatt, das die AktivistInnen dabei hatten, las sich so:

Shopping als Hobby
oder weil man das Produkt ja wirklich braucht,
weil es alle anderen auch haben,
weil es überall von Fachleuten empfohlen wird,
die in den Werbespots auftauchen,
die von den Unternehmen finanziert werden,
die sich das leisten können,
weil sie weniger als 1 % des Preises
an die Arbeiter weitergeben, die es produzieren,
welche so arm sind,
dass sie keine andere Wahl haben
als zu arbeiten um zu überleben.

Weil wir sie ja wirklich brauchen kaufen wir 23 kg Kleider im Jahr (Durchschnitt Bundesbürger), die zu großen Teilen in sogenannten Sweatshops in der sogenannten 3. Welt gefertigt werden. Dort ist Schwerstarbeit zu Hungerlöhnen Normalität. Selbst Kinder werden ausgebeutet.

Und all das geschieht nicht, weil uns kalt wäre, sondern, weil uns die alten Klamotten nicht mehr gefallen.

Wir definieren uns immer mehr über den Konsum. Wir zeigen zu Weihnachten den Menschen unsere Liebe, indem wir Dinge für sie kaufen. Wir handeln nach dem Motto:

Ich konsumiere, also bin ich.

Warum nehmen wir uns nicht die Zeit, die wir arbeiten müssen, um das Geld für die Geschenke zusammen zu kriegen, und verbringen sie mit den Menschen, die wir beschenken wollen.

Mal ehrlich, die meisten Geschenke brauchen wir eh nicht. Aber vielleicht bräuchten wir eher etwas Ruhe und Zeit für einander, anstatt uns durch den Weihnachtskonsum zu kämpfen.

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Erzeugt am 20.12.2002

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