UNiMUT im Winterschlaf -- fast alle Inhalte hier sind mindestens fünf Jahre alt und vor allem historisch interessant. Wenn du die Seite magst: Wir lesen unsere Mail noch und helfen dir gerne, den Online-UNiMUT wiederzubeleben. Termine | Inhalt des UNiMUT-Extra vom 1.Juli 1993 zur Uni- VV Die frohe Botschaft.... Erste Information zur Hochschulreform Auszuege aus dem Eckwertepapier Der Rektor im Rechenschaftsbericht Termine Impressum Geschichte - Protestaktion FSK-Beschluss Bildung ist Menschenrecht Studiengebuehren, nur in BaWue ************************************************* Die Frohe Botschaft Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Erlass des Herrn von Trotha erging, dass alle Studiwelt geschroepfet werde. Diese Schroepfung war die erste seit langer Zeit und geschah, als Ulmer Rektor in Heidelberg war. Alle gingen hin, sich schroepfen zu lassen, ein jeder an seine Fakultaet. Auch Joseph zog von seiner Heimatgemeinde hinauf in die Kurpfalz an die Uni Helmuts, denn er war aus dem Hause und Geschlecht der GeisteswissenschaftlerInnen, um sich mit Maria, seiner Freundin, die Fachschafterin war, in die Schroepfungslisten eintragen zu lassen. Waehrend sie aber dort waren, begab es sich, dass sie eine Idee gebar. Und sie gebar ihre Idee, schrieb sie auf Flugblaetter und diskutierte sie unter Bruecken, weil es fuer Zimmer kein Geld mehr gab. Und in der selben Gegend waren Studis in ueberfuellten Hoersaelen und versuchten ihre Professoren zu erspaehen. Da trat eine Botin der Fachschaft zu ihnen und die Herrlichkeit studentischer Mitbestimmung umstrahlte sie und sie fuerchteten sich sehr. Die Botin sprach zu ihnen: "Fuerchtet euch nicht! Denn seht, ich verkuende euch eine grosse Freude, die allen Studis zuteil werden wird. Denn heute ist euch an der Uni Helmuts eine Idee geboren, naemlich die Armenspeisung fuer die BettelstudentInnen. Dies soll euch das Zeichen sein: Ihr werdet Brot finden in Flugblaetter eingewickelt auf Transparenten liegend." Ploetzlich war bei der Botin eine Menge begeisterter DemonstrantInnen, die die Idee lobten und sprachen: "Weg mit den Studiengebuehren und freie Bildung fuer alle, die guten Willens sind!" Lukas, Christiane, Schecki Damit dies nicht Wirklichkeit wird, kommet zu Hauf zu Armenspeisung und Uni-VV!!! (Termine siehe unten) ******************************************** Erste Informationen zur Hochschulreform "Jeder soll jederzeit und ueberall seine Chance haben. Weder Herkunft noch Besitz, weder Alter noch Konfession, weder Wohnort noch Geschlecht sollen die Chancengleichheit, sollen das Recht auf Bildung einschraenken." So hiess es in Willy Brandts Regierungserklaerung von 1970. Von den Reformideen des Hochschulausbaus der siebziger Jahre ist allerdings nicht viel geblieben. Inhaltliche Forderungen an eine Reform der Studieninhalte und des Studienaufbaus wurden bald aufgegeben, der Ausbau kontinuierlich gedrosselt. Seit kurzem wird aber wieder ueber derartige Pro- bleme geredet. Den ersten Schritt machten im Juli 1992 die RektorInnen, die im "Konzept zur Entwicklung der Hochschulen in Deutschland" das Modell entwickelten, nach dem die Masse der Studierenden in einem kleinen Schmalspurstudium abgefertigt werden soll. Weiter gingen die Finanz- und KultusministerInnen der Laender: sie forderten Studiengebuehren fuer die, die dieses verkuerzte Studium um mehr als ein Jahr ueberziehen; Wer zwei Jahre ueber der Zeit liegt, soll rausgeschmissen werden. Mitte Dezember schliesslich wurde in Bonn bekannt, dass der Wissenschaftsrat diskutiert, 1000,- DM Studiengebuehren pro Semester zu erheben. Modell Mensa: Massenabfertigung Alle Vorschlaege laufen auf eine Zweiteilung hinaus: in ein sogenanntes "grundstaendiges Studium" an Universitaeten und Fachhochschulen (fuer die Mas- sen) und ein "Aufbau- und Vertiefungsstudium" (ausschliesslich an Universitaeten), in dem nur noch wenige wirklich wissenschaftlich studieren koennen. Die Einheit von Forschung und Lehre als die Ge- meinschaft von Lehrenden und Lernenden, die schon heute nur selten realisiert wird, soll prinzi- piell einer kleinen Gruppe der Studierenden vorbe- halten bleiben. Die Lehre soll den Wissenserwerb effektivieren. Neue Lernformen, wie Projektstudium oder forschendes Lernen werden nicht ernsthaft dis- kutiert. Demokratie oder Management? Die derzeitigen Unistrukturen erinnern eher an das preussische Staendesystem, denn an eine demokratische Gesellschaft. Die ProfessorInnen besitzen in allen Gremien eine absolute Mehrheit. Entscheidungen werden daher von ihnen getroffen. Entscheidungs- und Gestaltungsraeume der anderen beteiligten Gruppen werden eingeschraenkt, sie werden desintegriert und ihre Angehoerigen vereinzelt. Entscheidungen, die alle betreffen, wer- den von einer kleinen Gruppe Priviligierter getroffen. Ueber eine Zentralisierung der Entscheidungs- kompetenzen in den Dekanaten bzw. Rektoraten sollen jetzt Mitbestimmungsmoeglichkeiten noch weiter eingeschraenkt werden. Die Unispitzen sollen als "Manager" ihrer Hochschulen vor allem fuer die Geldverteilung und die Einwerbung zusaetzlicher Drittmittel zustaendig sein. Freiheit der Forschung? Industrie, Forschungsgesellschaften und andere DrittmittelgeberInnen haben bereits heute starken Einfluss auf Inhalte und Ausrichtung der Forschung ohne dass dies transparent gemacht werden muss. Eine oeffentliche Diskussion ueber die gesellschaftliche Relevanz von Forschung findet kaum statt. Die Verknappung der oeffentlichen Mittel wird die Ausrichtung auf "verwertbare" For- schung verstaerken - primaer zu Lasten der Geistes- und Sozialwissenschaften. Verfehlte Bildungspolitik Die Vorschlaege, Studiengebuehren und Zwangs- exmatrikulation nach einer gewissen Ueberschrei- tung der Regelstudienzeit einzufuehren, setzen den bisherigen Angriffen auf das Recht auf Bildung die Krone auf. Ueber Jahre hinweg waren Generationen von Studierenden gezwungen an Hochschulen zu studieren, die ruecksichtslos finanziellen Einsparun- gen ausgesetzt wurden. Jetzt sollen sie fuer diese verfehlte Politik auch noch zahlen. Wer jetzt Vorschlaege fuer Studiengebuehren einbringt, macht die Opfer zu TaeterInnen und lenkt vom eigenen Versagen ab. Ueber Jahre haben sich PolitikerInnen fuer die Lage an den Hochschulen nicht interessiert. Von 1977 bis 1990 stiegen die Zahlen der StudienanfaengerInnen um 78%. Das wissenschaftliche Personal wurde aber nur um 6%, die Hochschulraeume nur um 10,5% erhoeht. Die Hochschulen sind auf diese Art materiell heruntergewirtschaftet worden. Um sie trotz leerer Kassen und wachsender Studierendenzahlen funkti- onsfaehig zu halten, muessen sie sich selbst beschnei- den. Die Aushungerungstaktik laesst ihnen scheinbar keinen Ausweg, als die Studierenden staerker unter Erfolgsdruck zu setzen, an der Finanzierung zu be- teiligen sowie die Forschung an finanzstarken Auf- traegen Staat, Wirtschaft und Industrie zu orientie- ren. - Zur Sicherung des "Standorts Deutschland". Auch an den Hochschulen manifestiert sich die bekannte Tendenz, in Zeiten knapper Mittel Kosten auf Gruppen mit der schwaechsten Lobby abzuwaelzen. Waehrend die Studierendenzahlen seit 1975 um 88% gestiegen sind, ist der Anteil der Ausgaben fuer die Hochschulen am Bruttosozialprodukt (BSP) im selben Zeitraum von 1,32 % auf 1,12 % gesunken. Die gestrichenen 0,2 % entsprechen 9 Milliarden Mark. Von ueberzogenen Forderungen der Hochschulen kann also nicht die Rede sein. Kirsten, Nicole ************************************************* ...Politik wird auch ohne uns gemacht. Auszuege aus dem "Eckwertepapier" der Bund- Laender-Arbeitsgruppe zur Vorbereitung des vor- gesehenen bildungspolitischen Spitzengespraechs 1993 (auch Bildungsgipfel genannt) Praeambel: "Der Standort Deutschland muss auch in den Bereichen Bildung und Ausbildung sowie Wissenschaft und Forschung gesichert werden,..." [zu Lande, zu Wasser und in der Luft...d.Setzer] A. Massnahmen im Hochschulbereich _ 1.1 Differenzierung an Universitaeten zwischen - theoriebezogenem, berufsqualifizierendem Studium und - Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses fuer Taetigkeiten in Forschung und Wissenschaft; neben der Promotion in klassischer Form Schwer- punktsetzung zugunsten einer weiteren Ausbaus der Graduiertenkollegs. (vgl. 2.2.5) _ 1.2 Festlegung der Regelstudienzeiten einschliesslich Praxissemestern/-phasen und Pruefungen. [Ordnung muss sein! d.S.] _ 1.4 Ausschluss von missbraeuchlichem Studienfachwechsel durch Einschraenkung der Zulassung und/oder Erhebung von Studiengebuehren [persoenliche Entscheidungsfreiheit = Missbrauch!! d.S.] _ 2.1.1 Mittelzuweisung nach erfolgs- und qualitaetsorientierten Kriterien und unter Beruecksichtigung der Umsetzung der Studien- strukturreform; dies gilt auch fuer Graduiertenkollegs. _ 2.2.3 Bundesweite Einfuehrung des freien Pruefungsversuchs in geeigneten Faechern mit Hochschulabschluss- und Staatspruefung. [Jedem Richter seinen Freischuss! d.S.] _ 2.2.5 Beruecksichtigung des Studienerfolgs (Studienzeit, Mindestnote) bis zum berufsqualifizierenden Abschluss bei der Zulassung zur Promotion bzw. zum Graduiertenkolleg sowie bei Gewaehrung von Promotionsstipendien. [8-Semester, Scheuklappen = wissen- schafstauglich!?! d.S.] C. Massnahmen im Bereich der Forschungspolitik _ 2. Innovation 2.1 Die Rahmenbedingungen fuer den Technologietransfer sind mit dem Ziel zu verbessern, den personellen Austausch zwischen Hochschulen, ausseruniversitaeren Forschungseinrichtungen und Unternehmen zu erleichtern. _ 2.3 Innovationskollegs fuer neue und mehrere Wissenschaftsbereiche uebergreifende Arbeitsgebiete koennen vor allem in den Hochschulen der neuen Laender geeignete Ansatzpunkte sein, um den Aufbau neuer Strukturen zu unterstuetzen. [...den Nutzen der Wissenschaft zu neuen und zu mehren: Kelloggs Cornflakes...d.S.] _ 3.1 Im internationalen Vergleich for- schungsbeeintraechtigende Wirkungen von Regelungen wie z.B. des Gentechnikgesetzes und von Arbeitszeit- und -schutzvorschrift en sowie der Praxis bei ihrem Vollzug sind zu analysieren und ggf. abzubauen oder vorausschauend zu vermeiden, soweit sie zum Schutz anderer Rechtsgueter nicht zwingend erfor- derlich sind. [rechte Ratten! d.S.] ********************************************** Auszuege aus dem Rechenschafts-bericht des Rektors der Universitaet Heidelberg Die (...) Haushaltslage und ihre gravierenden Konsequenzen fuer Stand und Entwicklung der Universitaetsressourcen machen es unverzichtbar, ueber die Erschliessung alternativer Finanzquellen nachzudenken, falls Bund und Laender nicht doch noch Wege finden sollten, durch neue Akzentsetzungen in der Haushaltspolitik Schaeden von den Universitaeten abzuwenden (...). Als derar- tige Quelle kaeme die Wiedereinfuehrung von (...) Studiengebuehren in Betracht, wie sie in Hoehe von 1000 DM pro Semester von der Wissenschaftskommission des Wissenschaftsrats im Herbst 1992 empfohlen (...) worden waren. Erinnert man sich daran, dass die Studiengebuehren in der Bundesrepublik erst vor rund 30 Jahren angesichts gesunder Staatsfinanzen (...) abgeschafft worden waren, so fuehrt kein Weg an der Frage vorbei, ob an dieser Entscheidung wirklich auch unter den deutlich veraenderten Bedingungen der 90er Jahre festgehalten werden kann, oder ob die Geschaeftsgrundlage dafuer inzwischen entfallen ist. Die Frage liegt auch deshalb nicht fern, weil ausserhalb der ehemaligen Ostblockstaaten Deutschland neben Daenemark, Luxemburg, Oesterreich und Griechenland das einzige Mittel- oder Westeuropaeische Land ohne Studiengebuehren ist, so dass von einem Grund- oder gar Menschenrecht auf "kostenlose Bildung" (...) nicht ernsthaft gesprochen werden kann. (...) darin, dass es einen "sozialen NC" selbst bei aeusserst knappen Staatsfinanzen nicht geben darf, ist den Bildungspolitikern zuzustimmen. Dem laesst sich jedoch ohne uebermaessige Schwierigkeiten schon dadurch Rechnung tragen, dass nicht nur die BAFoeG-Empfaenger Gebuehrenbefreiung beantragen koennen, [beantragen!!!? d. Setzer] sondern dar- ueberhinaus auch diejenigen Studierenden, die angesichts der Einkommens- und Vermoegenslage der Eltern nur mit beschraenkter finanzieller Unterstuetzung von zuhause rechnen koennen, oder aus sonstigen Gruenden gezwungen sind, ihr Studium selbst zu finanzieren. Selbst wenn man diesen Anteil grosszuegig mit ca. 50% aller Studierenden bemisst [bereits heute arbeiten 66% aller Studis, 28% weden BAFoeG-gefoerdert...!!! d. Setzer], wuerde das verbleibende Gebuehren- aufkommen doch fuer mittlere und grosse Universitaeten mindestens zweistellige Millionenbetraege erreichen. [...Es folgen Zahlenspielchen d. Setzer...]. ********************************************* Termine Mittwoch, 30.06.93 _19.30 Vortrag: Faktizitaet und Geltung; Prof. Dr. Juergen Habermas; Alte Aula Donnerstag, 01.07.93 _11.00 Hearing der LAK (Landesastenkonferenz) Baden-Wuerttemberg mit der SPD-Fraktion zur Hochschulpolitik (Bericht auf der VV) _12.30 Uniplatz: Armenspeisung; im Anschluss Diskussion wg. Studiengebuehren _12.30 Mensa INF Beginn Fahrraddemo in die Altstadt gegen Studiengebuehren _17.00 Uniplatz oder Neue Uni: Uni-Voll- versammlung mit Rektor Ulmer _20.00 AK Hochschulreform Freitag, 02.07.93 _ab 17.00, ZFB, Lauerstr.1, Beginn des Einfuehrungswochenendes der FSK in Unistrukturen und Hochschulreform _20.00 Podiumsdiskussion: "25 Jahre nach '68 - Was bleibt? Bleibt Was?; Aula Neue Uni _20.00 Atlas-Fete; Fachschaft Geographie; 348 Samstag, 03.07.93 _ ab 11.00 Fortfuehrung des Einfuehrungswochenendes der FSK (s.o.) Mittwoch, 07.07.93 _ 19.00 Referat mit Diskussion: "Revolution der roten Talare?" Reformansaetze von '68 am Beispiel der Hamburger Notstandsvikare; Karlstr.16, HS 007 _ letzter UNiMUT im Semester. IMPRESSUM UNiMUT - Zeitung an der Uni Heidelberg Studiengebuehren 30. Juni '93 UNiMUT erscheint: alle 2 Wochen(?!) Redaktionsschluss: Sonntags, 1700 Uhr Mitarbeit diesmal: Schecki, Kirsten, Christiane, Andreas, Nicole, Lukas, Michael, d.Setzer Druck: Druckwalze GdbR Auflage: 3000 LeserInnen-Beitraege: sind jederzeit er wuenscht & sollten nur in Ausnahmefaellen 2 DIN-A- 4-Seiten ueberschreiten. Fuer namentlich gekennzeichnete Beitraege ist der/die Autor(in) verantwortlich! Die Redaktion behaelt sich sinnvermehrende Kuerzungen und kostenlose, orthographische Dienstleistungen vor! v.i.S.d.P: F(ach)S(chafts)K(onferenz) Lauerstrasse 1 6900 Heidelberg Tel.: 06221/542456/7 ******************************************** Rechenschaftsbericht des Rektors In der letzten Sitzung des Grossen Senats der Universitaet am 7.Juni schlug der Rektor vor, Studiengebuehren von 2000,- pro Jahr einzufuehren. Er will hiermit die schlechte Finanzlage der Universitaet aufbessern. Ausgenommen werden sollen BAfoeG-EmpfaengerInnen und sozial schlechter gestellte Studierende (vgl. UNiMUT 70 und Artikel "Rechenschaftsbericht"). Letzten Donnerstag organisierte die Fachschaft Geschichte die erste Protestaktion gegen Studiengebuehren. Um auf die sozialen Folgen von Studiengebuehren aufmerksam zu machen, waehlte sie die Form einer Armenspeisung. Arm war die Speisung wirklich, nicht mal ein Mensaessen hat sie ersetzt, aber schliesslich hatte man auch nicht mit so vielen Leuten gerechnet. Eigentlich sollte nur informiert werden. Protestpostkarten an den Rektor der Universitaet, Peter Ulmer, wurden fertig frankiert verkauft, jedoch reichten die 600 Stueck nicht. Spontan bildeten rund 1000 Studierende einen Demonstrationzug durch die Hauptstrasse und durch die Ploeck zurueck zum Rektorat. Dort wurde lautstark ein Gespraech mit Peter Ulmer gefordert, aber die Tueren der Alten Uni waren verschlossen. Schliesslich verkuendetet sein Pressesprecher seine angebliche Abwesenheit bekannt und vertroestete die Anwesenden mit der Zusage, sich fuer ein Gespraech einzusetzen. ******************************************** Die Fachschaftskonferenz (FSK) der Universitaet spricht sich aus folgenden Gruenden gegen Studiengebuehren aus: 1. Ihre Einfuehrung verschaerft den sozialen NC, der besonders in sozialschwachen und bildungsfernen Schichten sowie bei Frauen zum Abbruch des Studiums fuehrt bzw. seine Aufnahme verhindert. Rektor Ulmer geht davon aus, dass etwa 50% der Eltern von Studierenden den angestrebten Betrag von 2000 DM pro Jahr aufbringen koennten. Wir bezweifeln diese unbelegte Schaetzung _ bereits heute sind 56% der Studierenden waehrend des Semesters auf studienzeitverlaengernde Erwerbsarbeit angewiesen. Schon jetzt ist es fuer viele Studierende kaum moeglich, die teilweise ueberhoehten Kosten fuer Miete, Lebenshaltung und Lernmittel aufzubringen. Insbesondere in den neuen Laendern, in denen es aufgrund der hohen Arbeitslosenquote fast kaum freie Jobs mehr gibt und fuer Studentinnen, denen aufgrund schlechter bezahlter Stellen monatlich durchschnittlich 100,- weniger zur Verfuegung stehen, ergaeben sich unvertretbare Haerten. Voellig diskriminiert werden Studierende, die - wie beispielsweise die 14-15% Teilzeitstudierenden - nur einen Teil ihres Zeitbudgets auf das Studium verwenden und dadurch insgesamt mehr als finanziell besser gestellte Studierende zahlen muessten. 2. Studierende verzichten fuer eine erhebliche Zeit auf ein eigenes Einkommen, dieser "Rueckstand" wird nicht automatisch ueber die Lebensarbeitszeit aufgeholt. 3. Prinzipiell ist die Finanzierung der Ausbildung Volljaehriger in Abhaengigkeit von den Eltern abzulehnen. Die Studienfinanzierung wird so zum Druckmittel. Dies steht im Gegensatz zu der in der Ausbildung angestrebten Unabhaengigkeit. 4. Die bestehende staatliche Finanzierung der akademischen Ausbildung ist grundsaetzlich gerechtfertigt. Eine Finanzierung der Hochschulen durch die Studierenden ist nicht zu vertreten. Eine dem Anspruch nach demokratische Gesellschaft kann die Erfuellung individueller Bildungswuensche und -chancen nicht vom Geld abhaengig machen. Bildung hat nicht nur individuellen Wert, sondern ist auch gesamtgesellschaftlich bedeutsam: Die Bundesanstalt fuer Arbeit prognostiziert eine Steigerung des Bedarfs an AkademikerInnen im Beschaeftigungssystem von heute 12,8% auf 18 - 22%. Die Bestrebungen, Studiengebuehren einzufuehren, entsprechen der allgemeinen Tendenz, in Zeiten knapper Mittel, Kosten auf familiaere Zusammenhaenge oder auf Gruppen mit der schwaechsten Lobby abzuwaelzen. Der Anteil der Ausgaben fuer die Hochschulen am Bruttosozialprodukt ist seit 1975 von 1,32% auf 1,12% gesunken. Wuerde man alleine bei den 1,32% bleiben, waeren das 9 Milliarden DM mehr. Beruecksichtigt man, dass im gleichen Zeitraum die Studierendenzahlen um 88% gestiegen sind, kann jetzt wohl keine Rede von unangemessen hohen Ausgaben fuer die Hochschulen sein. Noetig ist vielmehr ein gesteigertes Engagement des Staates fuer die Hochschulen. ******************************************** Bildung ist Menschenrecht Bildung fuer alle Menschen, die guten Willens sind, das koennte die Maxime einer Universitaet sein, die sich als offene, demokratische und patizipatorische verstehen will. Stattdessen verschreibt sie sich zur Zeit einer Reformstrategie, die auf ganz andere Dinge abzielt: Zum Programm wird die "Studienzeitverkuerzung" gemacht. Freilich ohne Diskussion um Inhalte oder Ziele des Studiums. Ziele der "Reform" sind so auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Schaut man sich allerdings Papiere von staatlicher Seite an, ist der Ansatzpunkt immer die Sicherung des "Standortes Deutschland". Studium & Arbeitsmarkt Damit ist die Katze aus dem Sack: Es geht um die Infrastukturkosten des Wirtschaftsstandortes Deutschland - im Vergleich mit anderen Laendern im Wettbewerb um internationales Kapital, aber auch fuer hier angelegtes. Die Lebensarbeitszeit der Vollarbeitenden soll erhoeht werden, indem wir frueher in den Beruf gehen. Da tut sich schon die grosse Frage auf: Es gibt in der Bundesrepublik eine betraechtliche Zahl an Arbeitslosen, nicht nur unter AkademikerInnen. Die Strategie "Lebensarbeitszeit erhoehen" treibt die Spaltung in Vollarbeitende und Arbeitslose voran - anscheinend gesamtwirt- schaftlich billiger; welch humane Arbeits- marktpolitik da getrieben wird, mag jedeR selbst beurteilen. "Standort Universitaet"? Aber das Standortdenken hat ja nun auch Auswirkungen auf das Denken ueber die Universitaet. Die Kosten muessen gesenkt werden: ueber die Studienzeitverkuerzung. Einmal mehr werden die StudentInnen damit nicht als studierende, wissenschaftsinteressierte Subjekte angesehen, sondern als eine moeglichst schnell durchzuschleu- sende Masse. Als eine Ursache der "zu langen" Studienzeiten wird oft das Argument "Orientierungslosigkeit" angefuehrt - die natuerlich mit Hilfe von mehr Reglementierungen und Einschraenkungen behoben werden soll. Es ist ja auch einfacher, alles zu regeln als sich ernsthaft den Kopf zu zerbrechen warum Studierende das Stu- dienfach wechseln, lange studieren, Kritik ueben, bei Studienordnungen und Berufungen entscheidenden Einfluss nehmen wollen. Die StudentInnen als artikulationsfaehige Subjekte wahrzunehmen, hiesse aber, sich als HochschullehrerIn selbst in Frage zu stellen; Sinn der Uebung muss aber sein, die Rahmenfaktoren sprich die Studierenden zu optimieren. Krisen werden gemacht! Veraenderungen lassen sich aber am besten durchsetzen, wenn sie dringlich scheinen, also werden Krisen produziert. Die Krise an den Uni- versitaeten ist nun seit 18 Jahren planmaessig gefoerdert worden (der Anteil staatlicher Ausgaben fuer Hochschulbildung am Bruttosozialprodukt ist von 1,32% auf 1,12% (1991) gesenkt worden - bei um 80% gestiegenen StudentInnenzahlen!). Jetzt wird seit ca. einem Jahr die Krise ausgerufen: Die Legitimation fuer Handlungsbedarf von oben. Menschenrechte statt Standortlogik Wer sich einmal auf den Ausgangspunkt "Standort Deutschland" fuer Diskussionen um Universitaet oder Arbeitsmarkt etc. einlaesst, hat schon verloren! Abstrakte Interessen sind letzlich immer gegen die konkreten Interessen der Menschen gerichtet, die Opfer dieses Denkschemas werden. Eine Ge- genstrategie in der Diskussion muss sein, auf den Rechten der Menschen zu beharren - gegen die vor- geblichen "Interessen" eines abstrakten Denkens: * Fuer das Recht auf Wohnen gegen die Logik des Wohnungsmarktes (die zu immer hoeheren Mieten fuehrt), * fuer das Recht auf Arbeit gegen die Logik des Arbeitsmarktes (die zu immer weniger Arbeitsplaetzen fuehrt), * fuer das Recht auf Bildung gegen die Logik des "Bildungsstandortes Deutschland", die zu immer weniger Wissenschaftlichkeit des Studiums fuehrt. Andreas Den Rechenschaftsbericht des Rektors gibt es kostenlos bei der Pressestelle der Universitaet in der alten Uni. ********************************************** Die Wissenschaft bin ich! Studiengebuehren, Interessenvertretung und Wissenschaft - der Wissenschaftsminister hat alles im Griff Dies ist kein Artikel ueber die Politik des Wissenschaftsministers v.Trotha, die inzwischen von allen Seiten vehement kritisiert wird. Hier sollen nur exemplarische Aeusserungen zu Studiengebuehren und Meinungsaeusserungen von Studierendenvertretungen wiedergegeben werden. V.Trotha betont die Freiheit. Freiheit heisst Verantwortung. Verantwortungsbereitschaft muss gefoerdert werden. V.Trotha sieht die Aufgabe der staatlich finanzierten Hochschulen darin, einen Abschluss zu ermoeglichen - innerhalb von 8 Semestern. Danach beginnt die Kostenbeteiligung, denn zur Verantwortung gehoert der verantwortungsvolle Umgang mit Zeit und Mitteln. Wenn Studierende sich dagegen wenden, hoert rationales Denken auf und die Interessenvertretung beginnt. Diese lehnt er ab. Bereits 1989 setzte er sich fuer die Zurueckdraengung der "Substrukturen" ein, die sich in Ba-Wue anstelle der 1977 abgeschafften gesetzlichen Studierendenvertretungen gebildet haben. In einem Interview erklaerte er unlaengst, dass er nicht die Absicht habe, auf Ueberlegungen einzugehen, hinter denen "grundsaetzliche ideologische Ueberlegungen" stuenden. Als wir ihn auf dem Wissenschaftsforum der GEW am letzten Samstag in Freiburg fragten, ob er schon wissenschaftliche Gutachten zu seinem Konzept der Studiengebuehren eingeholt habe (es ging uns hierbei v.a. um die Aspekte Durchfuehrbarkeit, Sozialvertraeglichkeit, Abwaegung mit Alternativkonzepten), erklaerte er jovial laechelnd, dass er seine Ideen erst mal so entwickle. Er habe aber gerade pruefen lassen, wie seine Vorstellungen per Erlassen und Gesetzesaenderungen auch isoliert in BaWue eingefuehrt werden koennten. Nach der Sommerpause werde er sich an die Umsetzung machen. Zur Rolle "des Koalitionspartners" bemerkte er sinngemaess, sobald die SPD in einer grossen Koalition sei, werde sie vernuenftig und stimme solchen Vorschlaegen zu. Kirsten |
Diese Seite darf unter der GNU FDL (auch verändert) weiterverbreitet werden. Näheres in unserem Impressum.
Erzeugt am 09.10.1993
unimut@stura.uni-heidelberg.de