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UNiMUT aktuell: Pro Choice

Pro Choice (30.05.2002)

Während Ministerpräsident Teufel in seiner jüngsten Heidelberger Rede über die Zukunft der Hochschulen im Land eher schwammig von "Flaggschiffen" redete, wechselte sein Redenschreiber nun das Bild und ließ ihn am 25.5. ausführen, wie er die "Vorreiterrolle des Landes in Sachen Hochschulpolitik" ausbauen will. Was kam, war vorhersehbar: Durch Wettbewerb natürlich und durch Autonomie der Hochschulen. Zentrale Bedeutung für die "wettbewerbsfähige Ausrichtung des Hochschulsystems" komme dabei der Ausweitung des Selbstauswahlrechts zu -- gemeint ist, dass Hochschulen ihre Studierenden selbst aussuchen dürfen, die Lokale Auswahl eben. Zusätzlich sollen in den nächsten Jahren weitere Rahmenbedingungen fest geschrieben werden (die sog. "Autonomie", die ja bekanntlich dem "Profil" zu Gute kommen soll) und vor allem weiter dran gearbeitet werden, das Magisterstudium durch sechsemestrige Bachelorstudiengänge zu ersetzen.

Bereits am 14.5. hatte die Landesregierung nach eigener Aussage "eine wichtige Etappe bei der Stärkung des Selbstauswahlrechtes der Hochschulen erreicht" und beschlossen, dass künftig 90% der Studis von "den Hochschulen" ausgewählt werden sollen. Beschlossen ist das natürlich nicht, erst im Herbst wird der Entwurf im Landtag beraten werden. Teufel (und Frankenberg) versprechen sich von dieser Maßnahme einen Wettbewerb um die "besten" Studierenden zwischen den Hochschulen mehr "Profil" der Hochschulen und -- wow! -- mehr Verantwortungsbewusstsein der Professoren für ihre Studierenden; damit hätten wir schon fast 90% der hohlen Phrasen in diesem Metier abgedeckt.

Die 90% Selbstauswahl soll bei Studiengängen, die "wegen ihrer inhaltlichen Gestaltung besondere fachspezifische Anforderungen an die Studierenden stellen" durchgeführt werden, "Eignungsfeststellungsverfahren" nennt sich das dann. Wir vermuten, dass es sich dabei um alle Studiengänge im Herrschaftsbereich Teufels handelt, denn, mal ehrlich, welcher Studiengang in Baden-Württemberg stellt schon keine besonderen fachspezifischen Anforderungen?

Während das noch beinahe plausibel klingt -- jedenfalls, wenn mensch berücksichtigt, dass es aus dem Munde des Ministerpräsidenten kommt --, wird es abenteuerlich, wenn die Verfahren vorgestellt werden: Kriterien sind "die in der Oberstufe erbrachten Leistungen sowie die Kernfächer Deutsch, eine Fremdsprache und Mathematik" ("sowie"?, d.S.) oder "die Einzelnoten in studiengangspezifischen Schulfächern, besondere Vorbildungen, praktische Tätigkeiten und fachspezifische Fähigkeiten". Legal sind auch "Motivationsschreiben von Studierenden" (sic!) und natürlich die gefürchteten Auswahlgespräche. Vielleicht mag mensch mit der Idee sympathisieren, den Dauerloosern an der Schule eine Chance zu geben, im Gespräch oder durch devote Briefe zu überzeugen. Doch das, was hier vorgestellt wird, unterscheidet sich kaum von der Verteilung der Plätze nach Abischnitt.

Wer wirklich mehr über die Leute wissen will als Abinoten und die Mitgliedschaften im Schützenverein, muss ernsthaft Zeit haben und bereit sein, diese auch zu investieren -- und die, die jetzt schon studieren, dürften bald merken, wo die Ressourcen herkommen! Aber -- Frankenberg ist da ganz offen -- um die geht es auch nicht primär, und auch nicht um die Ausgewählten. Es profitieren, ja wirklich, vor allem die Hochschullehrer, weil sie zukünftig besser motivierte und geeignete Studierende unterrichten könnten...

Viel entscheidender ist jedoch, dass diese ganze Auswählerei im Wesentlichen den Sinn hat, die freie Berufs- und vor allem Interessenwahl weiter zu beschränken. Wer Leuten mit schlechtem Abi eine Chance geben möchte, muss eben Studienplätze dafür schaffen. Wie kann es eigentlich sein, dass eben die Herren, die in der DDR ein System der Knechtung wahrnahmen, weil Studienmöglichkeit und Fachwahl durch Staatsräson und Fünfjahresplan eingeengt waren, hier nun allerlei Konformitätshürden vor unsere freien westlichen Studiengänge bauen möchten, und zwar möglichst vor alle?

Und selbst wenn Auswahlverfahren nicht per se schlecht wären, vielleicht gar redliche Ziele verfolgen sollten, die Verfahren, die Teufel so vorschweben, sind auf jeden Fall böse und unsinnig. Vielleicht hätte ein Blick auf den PISA-Sieger Finnland helfen können, denn selbst dort gibt es Auswahlverfahren, etwa für die begehrtesten Studienplätze: die für GrundschullehrerInnen. Dabei müssen die KandidatInnen eine Gruppe Kinder unterrichten, und die Studienplätze werden denen zugeteilt, die den Klassenraum am ungerupftesten verlassen.

Die Redaktion schlägt vor, statt der nun wirklich gruseligen Berufung künftig die Lehrstühle unserer Alma Mater nach einer analogen Methode zu vergeben. Dann hätten wir auch zufriedene Profs...

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 07.03.2003


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Erzeugt am 29.05.2002

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