Immer mehr BA- und MA-Studiengänge in HD
Noch gibt es nicht so viele nach angelsächsischem Modell gestufte Studiengänge (vulgo: Bachelor/Master, noch vulgoer: BA/MA) in Heidelberg, doch ihre Zahl wächst. Auffällig ist, wieviel Energie manche ProfessorInnen in diese neuen Studiengänge stecken; ProfessorInnen, die es in den letzten 20 oder 30 Jahren nicht fertig gebracht haben, auch nur minimale Verbesserungen im bestehenden Studienbetrieb zu ersinnen, geschweige denn umzusetzen -- nun haben sie für die neuen BA- und MA-Studiengänge so viel Energie, dass man sich fragen muss, was wohl dahinter steckt.
Wo bisher eher Fundamtentalopposition gegen jedwede Studiengangsexperimente vorherrschte, wird mittlerweile munter an Studiengängen wie "Amerikastudien", "Translational Studies" oder "Molekulare Biotechnologie" gebastelt. Einigen dieser Kreationen liegt ein gründlich erarbeitetes Curriculum zugrunde. An der ehemaligen Fakultät für Orientalistik und Altertumswissenschaften zum Beispiel wird seit anderthalb Jahren ein altertumswissenschaftlicher BA-Studiengang entworfen (wobei auch bestehende ähnliche Studiengänge zum Vergleich herangezogen wurden). An der Neuphilolgischen Fakultät wurde ausgehend vom bestehenden Magisterstudiengang in den letzten Semestern ein BA Computerlinguistik entwickelt. Einige der "neuen" Studiengänge laufen bereits seit einigen Semestern, der sechssemestrige Studiengang "akademisch geprüfter Übersetzer/Übersetzerin" gar schon seit Jahren; was sie aber (außer einem Abschluss) wirklich bringen, ist noch ein wenig unklar.
Manche Studiengangskreierer kreieren allerdings eher Rohrkrepierer. Der UNiMUT hatte bereits vor einiger Zeit den Studiengang "German and European Classics", der eine nicht zufällige Ähnlichkeit zu dem ernst gemeinten "Deutschland und Europa" hatte, vorgestellt. "Deutschland und Europa" ist inzwischen stillschweigend der damnatio memoriae anheim gefallen. Doch zum Lachen ist der Redaktion nicht mehr zumute, seit sie von Überlegungen zu Studiengängen wie "Deutsche Studien" gehört hat... bald wird es sicher ernsthafte Pläne zu Studiengängen wie "Geschichte der Westpfalz-Studien" oder "Mineralien Mitteleurpas-Studien" geben. Und woher weiß man, dass an den bisher beschlossenen nur die Namen besser sind?
Ein Problem der "neuen" Studiengänge sind die Vorgaben aus Stuttgart (die von Seiten des Ministeriums gern als "Hochschulautonomie" bezeichnet werden). Wenn beispielsweise vorgegeben ist, dass ein Studiengang nicht mehr als 7 Module umfassen darf, hat er am Ende garantiert nicht deren acht, wie sinnvoll das vielleicht auch gewesen wäre. Und wenn dann jedes Modul einen Koordinator braucht, dann wird es auch ihn oder sie geben. Wenn dann allerdings, wie in einem Fall geschehen, einfach alle C-Praktika zu einem Modul zusammen gefasst werden und ein Koordinator eingesetzt wird, der zu den meisten Praktika nicht so viel sagen kann, da sie an anderen Instituten stattfinden, so fragt man sich, warum man hier nicht die Zahl der Module durch den Fachbereich nach inhaltlichen Überlegungen festlegen lässt.
Wozu überhaupt der ganze Mumpitz? Den Anfang einer Antwort mag man erahnen, wenn man hört, wie oft das Rektorat verkündet, Masterstudiengänge seien "Exzellenzstudiengänge". Da nun MA-Studiengänge nach dem Willen des Ministeriums nur mit BA-Studiengängen zu haben sind, führt man nolens volens auch diese ein. Bachelorstudiengänge sind in dieser Logik nochnichtganzsoexzellente Studiengänge, für die, deren Exzellenz sich noch nicht ganz gezeigt hat. Das soll auch in Zukunft so bleiben, ja es muss so bleiben, denn in Zukunft dürfen nur die besten AbsolventInnen aus BA-Studiengängen, ca. ein Drittel, in einen MA-Studiengang. Dass dies nicht gut mit der Einlassung zusammenpasst, dass ja schon die Auswahlverfahren die "besten Köpfe" (so erst jüngst wieder das Rektorat in einer so genannten Presseerklärung) erwettberwerben sollen, stört die PlanerInnen wenig, Logik ist nicht gefragt.
Genau darin scheint der Sex-Appeal dieser Geschcihte für viele Profs offenbar zu bestehen: Sehr deutlich lassen sie erkennen, dass sie sich nicht länger mit Massen an zweit- und drittklassigen Leuten umgeben wollen, sondern mit erstklassigen Studierenden, die es auch wirklich wert sind, dass sich Gottes Geschenke and die Menschheit mit ihnen abgeben. Neu sind diese Träume nicht. Schnellstudiengänge für die Massen, darauf aufbauend Exzellenzstudiengänge für die Exzellenz sah im Groben schon der Machleidt-Magister vor, der 1996 von einem Mitarbeiter des MWK vorgelegt wurde (der seinen Job danach nicht mehr lang machen durfte und sich auch auf seiner nächsten Position im MWK nur blamierte).
Es gibt allerdings auch "neue" Studiengänge, die nicht wirklich gewollt sind, aber eingeführt werden müssen, um das Überleben des Instituts zu sichern. Am IÜD zum Beispiel müssen jetzt sehr schnell verschiedene neue Studiengänge eingeführt werden, weil der zuständige Ministerialdirigent von ihnen überzeugt ist und das Institut an die FH Heilbronn wandern soll, wenn es nicht "Innovationsfähigkeit" beweist. Auch andere Fächer haben gemerkt, dass der Druck auf sie merklich nachlässt, wenn sie Innovation, sprich BA-Studiengänge, produzieren. Spätestens wenn man in Kommissionen Aussage hört "wir versprechen Ihnen, wenn es Probleme gibt, dann können wir da kurzfristig was ändern, aber der Studiengang muss jetzt anfangen, sonst gibt es uns nicht mehr lange" ahnt man, dass es sich um so einen Studiengang handelt. Auch der Verweis darauf, dass eine bestimmte Formulierung zwar auch dem Antragsteller nicht klar ist, aber genau so mit dem Ministerium abgesprochen sei, ist nicht wirklich beruhigend.
Dabei wäre es so einfach gewesen, in den letzten Jahren Innovation zu zeigen: beispielsweise durch die Einführung von Tutorien, durch Einführungsveranstaltungen, die nicht nur so heißen, durch die Abstimmung von Studienordnung und Lehrangebot oder die Planung des Lehrangebots über mehrere Semester im Voraus. In den meisten neuen Studiengängen ist dies übrigens als Standard vorgesehen. Allerdings oft in der Variante, dass alles in der Prüfungsordnung festgelegt und unverändert durchgezogen wird. Für die ernsthafte Verbesserung der bisherigen Studiengänge wird die gewonnene Zeit aber auch nicht genutzt werden, eher für die Dienstreisen zu den ausgelagerten Centers der Uni Heidelberg.
Noch gibt es nicht so viele BA- und MA-Studiengänge in HD -- doch bereits die Charakterisierung als "exzellent" verrät, dass es mehr werden sollen. Exzellenz ist in der Welt des Rektorats das, was die Uni braucht, keine fähigen HochschullehrerInnen, niveauvollen Studiengänge oder gute Studienbedingungen. Freilich -- auch das ist Exzellenz -- soll nur die Zahl der Studiengänge, nicht etwa die Zahl der Studierenden steigen. Immer mehr Studiengänge für immer weniger Studierende, das ist es, was vielen exzellent ins Programm passt.
Übrigens: Im ZFB, wo es bekanntlich ohnehin sehr viele interessante Informationen gibt, ist über den oben referenzierten UNiMUT-Schwerpunkt hinaus viel Material zum Thema gestufte Studiengänge zu finden.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 02.04.2003, 16.04.2003, 03.01.2004, 13.10.2004