[Auftakt] [In Shiraz] [Im Hinterland] [Irans Metropolen] [Ausklang]

Zurück zur Arbeit

Unser Flug hat Verspätung, aber hebt letztlich sicher ab zu dem etwa einstündigen Flug nach Shiraz. Ahmad holt uns ab. Überraschend brauchen wir, um aus dem Flughafenbereich herauszukommen, eine volle halbe Stunde. Mehrere Maschinen voller Pilger sind gerade von ihrer Hadj nach Mekka zurückgekommen, die Straßen sind dicht. „Ein religionsbedingtes Problem“ kommentiert Ahmad in seiner traurig-trockenen Art.

Die letzten Tage erwartet uns noch eine Stange Arbeit. Ich bringe den Jungs weiter wie versprochen MFC bei, das in Heidelberg noch benutzte Programm zur Auswertung von gemessenen Spektren, mit dem sich, da alles von Hand getan werden muss, das Auswertungshandwerk schön erlernen lässt, und wir werten die ersten Spektren aus. Den letzten Abend verbringe ich bei Ahmad und Tamineh, die für Nasser, Leyla, Tahminehs Schwester Mandana und mich kochen.

Zum Abschied schenkt mir Ahmad einen Bildband eines iranischen Photographen, der die verschiedenen Klimazonen des Iran portraitiert. Am letzten Tag erledigen wir im Institut die letzten Handgriffe, essen noch einmal in dem Restaurant vor der Stadt, und fahren, was wir noch gar nicht getan haben, zu den Neubauten der Universität Shiraz auf den Berghang hinauf, zu dem kleinen Observatorium, welches ebenfalls einem Amateurclub als Stützpunkt dient. Die letzten Bilder des letzten Films, die letzten Milliampèresekunden der Ersatzbatterie der Digicam sind schnell verschossen. Um das Risiko einer Überbelichtung der Filme auf den Flughäfen zu vermeiden, entwickeln wir die Filme in einem Labor hier in Shiraz – und können die Ergebnisse gleich begutachten.

Wir besichtigen den Palast Afif Abad, den ehemaligen Palast des letzten Pahlavi-Schahs. Im Freien, vor dem Eingang, stehen ausgemusterte leichte Panzer und Haubitzen. Das Untergeschoss birgt ein Waffenmuseum, das die letzten zwei Jahrhunderte weltweiter Blank- und Feuerwaffen abdeckt. Die Kameras müssen wir beim Eingang abgeben, aber fast alle Beschriftungen sind auch in englischer Sprache ausgeführt. Wir betrachten gerade einige Säbel, da erfüllt Lärm den Raum. Eine Schulkasse besucht das Museum, etwa im dritten Schuljahr. Fröhlich johlend umschwärmen die Jungen die Exponate, durch den jungen Museumswärter, wahrscheinlich einen älteren Studenten, und die Lehrerin mühsam in Schach gehalten. Auch draußen hatte ich einzelne auf den Panzern herumklettern sehen. Die Gruppe ist kaum in die nächsten Räume geschwärmt, da schwillt ein zweiter, noch größerer Lärm an – die Mädchen der Jahrgangsstufe, in weißen Uniformschleiern, wuselt hindurch. Ob den Kindern klar ist, was ihnen hier in diesen jungen Jahren durch die Weisheit der iranischen Kultuspolitik nahegebracht wird, ist zu bezweifeln. Genau darin liegt die Gefahr – die Banalisierung der Waffen, die Konvertierung zu Spielzeug oder Zootieren. Es ist schon grenzwertig genug, dass Abe und ich uns hier umtun. Aber der Anblick der fröhlichen Kinder hier an diesem Ort jagt Schauer über den Rücken. Der Wärter kommt an uns vorbei, froh, dass dieser Stress für ihn nun vorüber ist. Wir absolvieren den Parcours, besorgen meine Kamera wieder und sehen uns den Palast im Obergeschoss an. Die Aufenthalts- und Arbeitsräume des Schahs sind so erhalten, wei er sie damals verlassen hat. Bestimmte Punkte erlauben, durch hintereinanderliegende Fenster durch mehere Wände hindurch den Eingangsbereich und dort eintreffende Gäste zu sehen.

Ausklang

Wir bummeln noch durch ein paar Geschäfte in der Innenstadt, doch letztes Ziel ist der Bazaar. Hier erledigen Abe und ich letzte geplante Besorgungen, begehen sie im angeschlossenen, gelb überwölbten Teehaus mit heißem Tee. Einen Teil dessen benötigen wir für die Reinigung von Abes Rucksack nebst Inhalt, da sich der Behälter des aus dem restaurant mitgenommenen Halfa als nicht sehr stabil erwiesen hat. Es ist schon dunkel, als wir im Institut meine beim Wachmann geparkten Klamotten abholen und Ahmad uns zum Flughafen bringt. Das kupferne Astrolabium, die funktionierende Replik eines Geräts zur Bestimmung etwa der Uhrzeit aus Sternbetrachtungen, erregt mit seiner runden Form und dem Aufhänger Verdacht, ich kann ihn aber ausräumen. Der Abschied ist gekommen. Wir rekapitulieren kurz die nächsten Schritte der Zusammenarbeit, wer was wem schicken will, und scheiden.

Mit einer Stunde Verspätung besteigen wir die Maschine - in der wir festsitzen, zwei weitere Stunden lang. Erst ein energisches Nachhaken bei der Stewardess liefert eine Erklärung: Unsere Maschine ist nur eine von zweien pro Woche. Sie muss einen Abschiebehäftling aus dem Land schaffen, der keinen Tag länger im Land verweilen darf. Aber irgendwer von den Grenzbehörden hat Mist gebaut – der Papierkram ist nicht erledigt. Also muss dies hier auf dem Flugplatz getan werden. Laut Auskunft der Stewardess ist der Kapitän genausowenig angetan wie wir. Die Seitenzahl meines Buches wird langsam knapp.

Endlich starten wir, und meine ursprünglich großzügige Aufenthaltszeit auf dem Flughafen Manama ist auf eine Stunde geschmolzen. Kurze Umsteigezeiten auf Großflughäfen tun nach meiner Erfahrung dem Koffertransport nicht gut. Angekommen, frage ich beim Infoschalter nach der Wahrscheinlichkeit, dass mein Koffer es bis zur Maschine nach Frankfurt schafft. Jaja, lautet die gelangweilte Antwort, der Vogel habe eine halbe Stunde Verspätung. Auf eigenartige Weise beruhigt, schlendere ich durch den geöffnet-erleuchteten, aber in nächtlicher Ruhe daliegenden Geschäftsbereich des Flughafens. Richtig viel los ist um diese Zeit, um eins in der Nacht, zwei Stunden Zeitverschub gegenüber Deutschland, eine halbe gegenüber dem Iran, eben nicht. Schleißlich trete ich die letzten Etappen der Reise an, den Flug nach Frankfurt, wo ich die kleine Nähschere auslöse, die ich auf dem Flug nach San Diego im Januar hatte zurücklassen müssen.

Es folgen die ICE-Fahrt nach Berlin, auf der ich die Frau eines ehemaligen Kollegen treffe, die U-Bahn-Fahrt vom Bahnhof Zoo zu mir nach Hause, wo meine Alarmanlage inzwischen wahrscheinlich bauarbeitenbedingt einen Fehlalarm produziert hat.

Jetzt beginnt die Nachbearbeitung – die intensivste aller meiner bisherigen Reisen.