Europas BildungsministerInnen beschließen "abgestimmte Hochschulreform"
BildungsministerInnen aus vierzig Staaten Europas haben sich am 19. September in Berlin nach zweitägiger Sitzung auf abgestimmte Veränderungen im Hochschulwesen sowie ein gemeinsames Abschlusskommuniqué verständigt.
Dieses Ergebnis fasst das Bundesbildungsministerium in einer Presseerklärung wie folgt zusammen: "In einem europäischen Hochschulraum sollen Studierende und Wissenschaftler ganz selbstverständlich grenzüberschreitend zwischen den Hochschulen wechseln können. Außerdem soll es in Zukunft ein weitgehend einheitliches, auch fremdsprachliches Diploma Supplement geben, um die gegenseitige Anerkennung der Abschlüsse in den Hochschulen und auf dem Arbeitsmarkt zu verbessern. Bis zum Jahr 2005 sollen in allen Ländern Strukturen für die interne und externe Qualitätssicherung von Hochschulen geschaffen sein. Außerdem gilt es, das zweistufige System von Bachelor- und Masterabschlüssen nun vollständig einzuführen."
Worauf diese verbale Schaumschlägerei, die seit 1999 unter der Etikette "Bolognaprozess" statt findet, hinausläuft, ist noch nicht ganz absehbar. In erster Linie wird jedoch vermutlich eine quantitative und qualitative Nivellierung des Studiums erfolgen. Im Vordergrund steht hierbei das Bestreben, die meisten Studierenden vor allem schneller und immer weniger Studierende gründlich und wissenschaftsnah auszubilden -- in Baden-Württemberg sollen z.B. in Zukunft nur 20% der AbsolventInnen eines BA-Studiengang ein Masterstudium aufnehmen dürfen, während bundesweit die KMK immerhin nur empfahl, eine Mehrheit vom Master fernzuhalten. Zudem sollen die Lehrveranstaltungen verstärkt in Häppchenform angeboten werden ("Module"), die angeblich besser zu kombinieren (vor allem aber mittelfristig leichter abzurechnen) sind.
Ziel der Veränderungen ist die Einführung des "angelsächsischen Modells", eine Erfindung zeitgenössischer Hochschulideologen, die aus einem dreijährigen Bachelor- und einem darauf aufbauenden einjährigen Master besteht. Dieses Modell passt per definitionem für alle Fächer, was inhaltliche Diskussionen spart und die Vergleichbarkeit ermöglicht. Wurde dies anfangs noch als "Harmonisierung" bezeichnet, so verspricht man sich inzwischen durch die Angleichung der bisherigen Systeme eine Bewahrung der Vielfalt der kulturellen und wissenschaftlichen Traditionen. Auch Mobilität und Flexibilität sollen gefördert werden: Studienleistungen sollen leichter anrechenbar werden, unter anderem dadurch, dass man auf einem sogenannten diploma supplement zusammenfasst, was man im jeweiligen Studium eigentlich gemacht hat. Während sich das Papier ansonsten über die Gebührenfrage ausschweigt, wird hier ausdrücklich darauf verwiesen, dass die Ausstellung des diploma supplement "free of charge" erfolgen solle. Wenn hierauf extra hingewiesen wird (und dann nur von sollte die Rede ist), dürfte klar sein, dass das meiste andere zu bezahlen sein wird.
Auch nach dem Master soll es weitergehen -- in einem Promotionsstudium a la Bolognese: "Ein hoch stehendes, möglichst interdisziplinär angelegtes Doktorandenstudium soll nachhaltig dazu beitragen, dass Europa zu Spitzenleistungen in Forschung und Innovation besser befähigt wird," so das BMBF. Auch wenn "interdisziplinär" recht nichtssagend ist, beachte man, dass hier immerhin am Rande auch inhaltliche Fragen berücksichtigt werden!
Eines ist klar: die Sauce Bolognese soll rasch über die bisherigen Systeme gegossen werden. Doch eine echte Bolognese enthält Hackfleisch. Und wenn die nicht aus den Studis gewonnen wird, woraus dann?
Zur weiteren Einarbeitung in die Thematik sei wärmstens auf eine Stellungnahme des BdWi verwiesen. Weitere Originaltexte und Artikel gibt es im ZFB.
Nachtrag (14.10.03): in der heutigen Sitzung des SAL wurde verkündet, dass auch an der Uni Heidelberg bis 2005 nur noch Bachelor- und Masterstudiengänge angeboten werden sollen; Lehramtsstudiengänge bleiben jedoch -- voraussichtlich -- noch bestehen. Die Senatskommission zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses erarbeitet gerade Empfehlungen für die künftige Organisation des Promotionsstudiums an der Uni Heidelberg. Wer Interesse hat, an der Diskussion mitzuwirken, kann über Redaktion oder die FSK Kontakt zu denen aufnehmen, die sich in und um die Gremien mit der Thematik befassen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 30.11.2003, 03.01.2004, 09.03.2005, 15.06.2005