Bundesverfassungsgericht verurteilt Trothas Rückmeldegebühren als verfassungswidrig
Vom Sommersemester 1997 bis zum Wintersemester 1998/99 lief in Baden-Württemberg der erste Großversuch mit Studiengebühren in der modernen Bundesrepublik Deutschland: Die nach dem damaligen MWK-Chef benannten Trotha´schen Rückmeldegebühren, auch als Notopfer Trotha bekannt. Deren Einführung war von Widerstand begleitet: Im Wintersemester 96/97 hatten fast alle Hochschulen im Land Treuhandkonten auf die Beine gestellt, deren Quoren aber (fast) durchweg nicht erreicht wurden. In der (richtigen) Einschätzung, dass auf dem politischen Weg zunächst nichts mehr zu machen war, gingen einige Studierende den Rechtsweg.
Dieser führte nach einer ersten Niederlage zum Verwaltungsgerichtshof Mannheim, der im August 1998 urteilte, die tatsächlichen Kosten der Rückmeldung seien nicht höher als gut acht Mark, weshalb Trothas Argumentation für die Gebühren möglicherweise gegen Artikel 70 folgende des Grundgesetzen verstößen. Nach dieser Entscheidung wurden die Gebühren ausgesetzt -- rückblickend eine weise Entscheidung.
Der Verwaltungsgerichtshof hatte den Fall aber ans Bundesverfassungsgericht weiterverwiesen -- offenbar wollte mensch sich in einer so brisanten Sache nicht zu weit herauslehnen --, so dass zunächst alles etwas in der Schwebe war, gerade, als etliche weitere Länder nach und nach ihre eigenen Rückmeldegebühren einführten. Sie waren gewitzter und schrieben Gesetze, die wohl nicht so leicht anfechtbar sein werden wie das Produkt des gelernten Juristen Trotha. Es mag für die Funktionsfähigkeit des Uni-Systems sprechen, dass das Promotionsvorhaben des späteren Ministers seinerzeit gescheitert war.
Im letzten November nun war mündliche Verhandlung in Karlsruhe, und wie ihr schon seit einiger Zeit unserer Terminliste entnehmen konntet, sollte heute das Urteil verkündet werden. Um es endlich zu verraten: Das Land hat verloren, Trothas Gebührengesetz -- in der Tat das erste Gebührengesetz überhaupt, das es vors Verfassungsgericht geschafft hat -- ist verfassungswidrig. Wer genau wissen will, warum, kann sich das Urteil zu Gemüte führen, normale Menschen werden aber eher die Pressemitteilung des Gerichts goutieren wollen. Im Groben ist die Auskunft wie schon die des VG Mannheim, die Gebühren seien zu hoch und verfolgten offensichtlich eben nicht den Zweck, den Verwaltungsakt "Rückmeldung" kostendeckend durchführen zu können.
Toll an dem Karlsruher Urteil ist noch, dass es die Unrechtmäßigkeit der Gebühren von Beginn an feststellt. Dies bedeutet, dass zumindest Menschen, die unseren Aufrufen zum Widerspruch gegen die Erhebung der Gebühren sowie zum Beantragen der Unterbrechung der Verjährung nachgekommen sind, jetzt einen Geldsegen von bis zu 150 Euro aus Stuttgart zu erwarten haben. Genaueres dazu könnt ihr hier lesen, sobald wir selbst wissen, wie die Verfahren dazu aussehen; das sollte im Laufe der nächsten Woche der Fall sein.
Derweil kommen wir zu den schlechten Nachrichten: Dies ist ein rechtlicher und kein politischer Sieg. Das bedeutet, dass der politische Wille, Bildung zur Ware zu machen und dabei vielleicht noch den einen oder anderen Euro zur Senkung des Spitzensteuersatzes (oder zur Aufrüstung für den nächsten Krieg) freimachen zu können, ungebrochen ist. Das Gericht moniert etwa, dass im Gesetz "für die Rückmeldung" und nicht "bei der Rückmeldung" steht -- an solchen Wörtchen hängt denn die Ablehnung, nicht daran, dass diese Sorte Besteuerung sozial Schwacher nicht korrekt sei, die Freiheit der Berufswahl eingeschränkt werde oder weiß der Geier welche Verfassungsnormen überschritten worden seien. Es ist auch nicht damit zu rechnen, dass sich irgendein Gericht dieser Republik derartige Überlegungen zu eigen machen wird.
Unterdessen ist es kein Geheimnis, dass Frankenberg schon fleißig an neuen Gebührengesetzen feilt, und er -- obwohl nicht vom Fach -- wird sie wohl besser hinkriegen als sein Vorgänger. In seiner Presseerklärung zur heutigen Entscheidung verkündet er dann auch: Heute ist nicht alle Tage, die Gebühren kommen wieder, keine Frage, oder in des Ministers Worten, ob "und gegebenenfalls wie Baden-Württemberg seine Regelung nun ändern wird und wie künftig die Ausgaben der Hochschulen im Verwaltungsbereich abgefangen werden können, hängt von einer ausführlichen Analyse der Entscheidung ab".
Dürfen wir raten: Keine Rückmeldung unter 1000 Euro. Der Schluss kann nur sein: Am Ende hilft kein Gericht, es hilft nur Widerstand und letztlich ein politischer Sieg. Und der wäre gerade in Zeiten, in denen allen Gruppen mit wenig Geld immer größere Opfer für die Größe des Vaterlandes und seiner RepräsentantInnen abverlangt werden, auch im weiteren gesellschaftlichen Kontext ausgesprochen wertvoll.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 21.03.2003, 21.03.2003, 26.03.2003, 06.05.2003, 19.06.2003, 02.07.2003, 03.01.2004, 30.05.2005