Praxis bis zum Erbrechen
Nach EPG, PS und SPS -- nicht zu vergessen FD -- müssen Lehramtsstudierende zukünftig bis zum Referendariat auch noch ein BSP und einen Kurs in Erster Hilfe nachweisen. Wem das zu viele Abkürzungen waren: EPG ist das Ethisch-Philosophische Grundlagenstudium, PS sind die Pädagogischen Studien und SPS ist das Schulpraxissemester; hinzu kommt noch die Fachdidaktik. All dies muss bis zur Anmeldung zum 1.Staatsexamen absolviert sein. (Ausnahmen sind nur möglich bei Studierenden, die von der Freisschussmöglichkeit Gebrauch machen: sie dürfen EPG- und PS-Scheine noch bis zur Prüfung im zweiten Fach nachreichen.) In Zukunft müssen Lehramtsstudierende obendrein noch bis zur Meldung zum Vorbereitungsdienst (Referendariat) ein Betriebs- oder Sozialpraktikum absolvieren.
Die Einführung eines Praktikums kommt vielleicht nicht völlig überraschend: das UG in der Fassung vom 28.3.2000 sieht in § 51 (5) vor, dass Hochschulprüfungsordnungen für die Zulassung zu einer Prüfung vorsehen sollen, "dass die Studierenden eine dem Studienziel dienende praktische Tätigkeit während der vorlesungsfreien Zeit des Studiums abzuleisten haben". Überraschend ist nur, dass jetzt für das Lehramtsstudium ein Praktikum, noch dazu eines mit indirektem Bezug zum Berufsfeld, eingeführt wird -- denn das SPS ist ja aufs Praxisfeld Schule gerichtet. Das Ministerium sah das offenbar nicht als ausreichend an, zumal das SPS ja als vorgezogener Teil der zweiten Phase der Lehramtsausbildung angelegt sein sollte (ihr erinnert euch: das unbezahlte SPS ersetzt ein bezahltes halbes Jahr Referendariat).
"Zukünftige Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer" sollen jetzt durch das Betriebspraktikum "die sich wandelnden Berufsanforderungen kennen" lernen, in die ihre SchülerInnen kommen. Alternativ können durch das Sozialpraktikum "zukünftige Referendarinnen und Referendare" einen "Einblick in den Alltag" von Jugendlichen "außerhalb des schulischen Bereichs" gewinnen. [Preisfrage: wieviele Abteilungen haben an diesem Merkblatt gearbeitet?]
Wie soll dieses Kennenlernen vonstatten gehen? Das Infoblatt zum BSP des Ministeriums klärt einige Fragen, vor allem die Dauer: in der Regel 4 Wochen. Manches bleibt offen, vor allem was die Anerkennung gleichwertiger Leistungen angeht. Fragen hierzu beantwortet theoretisch das Landeslehrerprüfungsamt, Außenstelle Karlsruhe, praktisch sollte man lieber gleich beim Ministerium nachfragen, da die untergeordneten Stellen derzeit noch nicht so genau informiert sind. Die monatliche Sprechstunde des Prüfungsamtes in Heidelberg findet, das nur zur Warnung, erst nächstes Jahr im Februar wieder statt. Der UNiMUT empfhielt derweil vor Ort in Heidelberg als bewährte Anlaufstellen: das ZSW, das Lehramtscafé des EWS und den AK Lehramt der FSK .
Die Wirtschaft kann auf jeden Fall in Zukunft auf eine Generation junger motivierter Lehramtsstudierender von den Unis bauen, die sich Grundkenntnisse im Kaffeekochen, Unterlagen-sortieren, etc. aneignen müssen.
Den Erste-Hilfe-Kurs, der versteckt in der APrOGym, § 2, Punkt 7 gleich mit dem BSP eingeführt wird , hätte man vielleicht auch in den Vorbereitungsdienst integrieren können. Dass Ministerium möchte aber, indem es diesen Kurs nicht selber anbietet, vermutlich die Eigenverantwortung der Studierenden für ihr Studium stärken. Die Einführung einer internetgestützen Anmeldung fürs SPS wird nämlich vom Land in einer Landtagsanfrage (13/2322, S. 10) wie folgt begründet: "das Anmeldesystem basiert auf einer elektronischen Plattform und stärkt in seiner Anlage die Selbstverantwortung der Studierenden für ihre Ausbildung." Das kann man sicher unterschreiben: wer seine vorlesungsfreie Zeit mit SPS, BSP, Praktika fürs Studium oder Hausarbeiten verbringt, hat wirklich Verantwortung übernommen, wenn er oder sie nicht zufällig ein dickes Bankkonto hat.
Nun könnte man an der Universität selber überlegen, den Studierenden die Suche zu erleichtern bzw. den Betrieben die vielen Einzelanfragen zu ersparen. Die Initiative "Magister in den Beruf" -- MiB -- könnte hier z.B. einiges auffagen. Allerdings ist Lehre nur verbal ein Schwerpunkt der Politik von Rektorat und Verwaltung. Insbesondere was die Information oder Beratung von Studierenden und speziell Lehramtsstudierenden angeht, ist eher nicht mit Engagement zu rechnen: Als die neue Lehramtsprüfungsordnung eingeführt wurde, befand das Dezernat für Studium und Lehre sich nicht für eine Infoveranstaltung zuständig; nur auf Druck des ZSW fand dann eine statt. Die Mehrheit des Rektorats stellt sich unter der Hand wohl eher die Frage, ob die Ruprecht-Karls-Universität in jedem Fach Lehramtsstudierende nötig hat oder die Ressourcen nicht besser in "richtige" Studierende steckt... Man könnte diese Aufgabe auch den geplanten lehrerbildenden Zentren zuordnen. In Sachen Elite ist Heidelberg sofort in die Diskussion eingestiegen -- in Sachen lehrerbildende Zentren gibt es aber allenfalls Andeutungen, was man auf keinen Fall will: eine Stelle, die in Sachen Lehramtsstudium Kompetenzen hätte oder es gar ernst nimmt. Das würde schon fast wieder dafür sprechen, sie mit der Organisation der BSP von Anfang an lahm zu legen...
Befürchtungen, dass Lehramtsstudierende nach der neuen Prüfungsordnung jetzt nur noch Praxis ("Kuschelpädagogik") machen, kann die Redaktion übrigens zerstreuen: auch im Fachstudium wurden die Anforderungen 2001 durch die neue Prüfungsordnung (alle Regelungen finden sich im LEU) nach der puren Zahl der Scheine erhöht, und durch stärkere inhaltliche Vorgaben an Seminar- und Püfungsthemen wurden auch die fachlichen Anforderungen angezogen.
Wann man all die Zusatzkurse machen soll, darüber schweigen sich die Erlasse aus. Dies, wie auch die Frage, wie man die Studierenden über die Änderungen informiert, ist vermutlich fürs Ministerium viel zu praktisch.