Kabinett beschließt Einrichtung von Zentren für Lehrerbildung

Aufwertung oder Abwertung? (09.07.2003)

Ende 2002 strebten 2416 Studierende der Uni Heidelberg ein Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien an (bei der Gelegenheit: LehrerInnen für die anderen Schularten werden in Baden-Württemberg immer noch an PHen ausgebildet). Verglichen damit waren die 144 künfigen Bachelors und 123 künfigen Masters ziemlich armselig -- und trotzdem reden alle über sie, während die LehrämtlerInnen, außer natürlich im UNiMUT, selten überhaupt wahrgenommen werden. Nicht so heute.

Denn heute befasste sich das Kabinett mit der Zukunft der Ausbildung von GymnasiallehrerInnen und beschloss: An den Universitäten in Baden-Württemberg werden Zentren für Lehrerbildung eingerichtet. Leider scheint auch der Regierung nicht ganz klar zu sein, wie diese Zentren funktionieren und was genau sie denn tun sollen, denn die Presseerklärung des Wissenschaftsministerium dazu breitet zwar einen langen Wunschzettel aus, vermeidet aber immer dann präzise Aussagen, wenn es um konkrete Befugnisse oder Ausstattung geht. In den Zentren, so heißt es da, sollen "die Erfordernisse und Interessen des Lehramtsstudiums artikuliert und in die universitären Gremien eingebracht" werden, und zwar durch eine "fakultätsübergreifende organisatorische Einheit zur Koordination von Studienangebot, Praktika und Prüfungen".

Das Landeslehrerprüfungsamt -- bisher durch Außenstellen bei den vier Oberschulämtern mit der Durchführung der Prüfungen betraut -- verschwindet mittelfristig übrigens im Rahmen der Verwaltungsreform, hier war nicht die Reform des Lehramtsstudiums das eigentliche Ziel... Neben Koordination und Interessenartikulation sollen die Zentren auch "alle organisatorischen Schritte zur Verbesserung der Lehramtsausbildung in Planung, Steuerung, Umsetzung und Evaluation verantwortlich begleiten. Dazu zählen die Sicherung und Koordinierung des Lehrangebotes, die Begleitung des Praxissemesters, die Organisation und Durchführung von Prüfungen sowie die Schaffung von Kooperationsmöglichkeiten zwischen Universitäten und lehrerbildenden Einrichtungen an den Schulen" (Hervorhebung durch die Red; darüber, von welchen "lehrerbildenden Einrichtungen an den Schulen" die Rede ist, wollen wir hier nicht spekulieren). Schließlich würde das Ministerium auch gleich noch "die Förderung der Forschung in Fachdidaktik, schulbezogener Erziehungswissenschaft, Pädagogischer Psychologie sowie in der Unterrichts- und Schulforschung" in den Zentren beheimatet sehen.

Man könnte versucht sein, jetzt den -- jedenfalls von vielen Betroffenen -- lange erwarteten Durchbruch in Sachen Lehramtsstudium zu imaginieren. Doch, wenn man erfährt, dass Kultusministerin Schavan allen (neun!) Universitäten zusammen hierfür insgesamt sieben Stellen zur Verfügung stellt, stellen sich massive Zweifel ein (übrigens gibt es verlässliche Gerüchte, dass HD 1,5 Stellen bekommen soll - da müssen einige Unis leer ausgehen oder "mitversorgt" werden). Könnte es sich nicht eher daraum drehen, Lehramtsstudierende nach und nach aus den übrigen Einrichtungen der Uni herauszudrängen? Passt das nicht eigentlich wunderbar zu den nun schon eine Weile schwelenden Diskussionen, das Lehramtsstudium landesweit nur noch an einzelnen Universitäten anzubieten?

Nun, die "Konzentration" der LehrerInnenausbildung haben die Rektorate -- glaubt man deren Aussagen -- durch massive Intervention bei den zuständigen Ministerien vom Tisch gefegt. Doch die Vorstellung von neun von Vorneherein personell unterausgestatteten "Zentren" oder weniger etwas besser ausgestatteten Zentren nährt den Verdacht, dass hier den Rektoren nahegebracht werden soll, ihren diesbezüglichen Widerstand aufzugeben. Es wäre doch auch für die Lehramtsstudierenden selbst viel besser, wenn sich zwei "schlagkräftige" Zentren um sie kümmerten und nicht deren neun vor sich hindümpelnde. Nicht wahr?

Ebenfalls stutzig macht die institutionelle Verankerung der neuen Einrichtungen. Sie sollen nämlich den Rektoraten unmittelbar zugeordnet sein und nicht etwa Fakultäten, deren WissenschaftlerInnen eine gewisse fachliche Nähe zu Fragen wie Fachdidaktik oder Schulforschung haben. Das jetzige Heidelberger Rektorat beispielsweise hat seine einschlägige Inkompetenz offen eingestanden und deshalb seit Semestern gegen die direkte Unterstellung das Sprachlabors (ZSL) unter das Rektorat opponiert. Stattdessen bleibt das ZSL bei der Neuphilologischen Fakultät, da diese -- so das Rektorat -- ein kontinuierliche fachliche Betreuung gewährleiste. Soll fachliche Betreuung beim Lehramtsstudium etwa nicht so wichtig sein?

Aus zuverlässigen Quellen weiß die Redaktion, dass das Rektorat die Idee der Zentren auch nicht so gut findet, allerdings nicht aus welchen Gründen. Auf jeden Fall hat es eine kleine Mini-Kommission eingesetzt (nein, mit sowas befasst sich natürlich nicht der SAL oder die vor ein paar Semestern vorgeblich extra für einschlägige Fragen eingerichtete Lehramtskommission des Rektorats, sondern eine weitere neue kleine Kommission), die einen Gegenentwurf erarbeiten soll. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Das Rektorat setzt sich in Heidelberg auch sonst für Lehramtsstudierende ein -- letztens etwa hat Prorektorin Leopold mit Studiendekanen und Studierenden verhandelt, um Überschneidungen zwischen den Lehramts-Studiengängen Biologie, Mathe und Informatik zu verhindern oder doch zu vermindern. Offenbar hoffen Schavan und Frankenberg, genau solche Fragen in Zukunft von ihren Zentren regeln lassen zu können. Was die Fakultäten allerdings dazu sagen, dass ihnen ein Zentrum (dem sie vielleicht sogar Stellen abtreten müssen, denn -- mal im Ernst: -- mit einer rechnerischen 9/7-Stelle und selbst mit 1,5 Stellen schafft man sowas nicht...) vorkoordiniert, was sie anbieten sollen, wird zumindest spannend.

Ein Problem schließlich wird es nicht mehr geben: die Vereinbarkeit von Diplom/Magister und Lehramt. In Bälde (Gerüchten zufolge ab dem Wintersemester - die Redaktion vermutet WS 04/05, denn in den Verzeichnissen für das kommende Semester schlägt sich das noch nicht nieder) nämlich sollen alle Veranstaltungen fein säuberlich getrennt werden: Veranstaltungen können nicht mehr zugleich für Diplom-, Lehramts-, Master- und Magisterstudierende angeboten werden. Es wird also in Mathe Analysis I für Lehramtsstudis und Diplomstudierende geben müssen. Wenn das so kommt, brauchen die Lehramtsstudierenden allerdings wirklich eine starke Lobby, denn vor allem die Naturwissenschaften werden lieber Lehramtsstudiengange streichen als auf Dauer ihren Diplomstudiengang zu riskieren...

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 17.07.2003, 03.01.2004, 10.11.2004, 18.05.2005