Die Nacht der langen Messer in Baden-Württemberg ist noch lange nicht vorbei. Im Gegenteil: die Messer werden erst gewetzt, die Schließung der Akademie für Technikfolgenabschätzung war nur das Zeigen der Werkzeuge: die Haushaltsstrukturkommission hat Prüfaufträge formuliert, die dazu beitragen sollen, mögliche Einsparmöglichkeiten aufzudecken. Verkürzt gesagt, werden in dem Papier der Haushaltsstrukturkommission also Kürzungsaufträge formuliert. Unter anderem soll geprüft werden, ob man an Grund- und Hauptschulen zwei Jahrgänge in einer Klasse zusammen legen kann, ob man Lehrerfortbildungen streichen kann, auch die "sozial gerechte Neuregelung der unentgeltlichen Beförderung Schwerbehinderter im öffentlichen Personennahverkehr" und die gesamte Theaterförderung sollen einer Prüfung unterzogen werden. Für den Hochschulbereich wird die Einführung nachlaufender Studiengebühren und Stipendien, selbstverständlich auch hier "unter Berücksichtigung sozialer Aspekte" geprüft. Außerdem sieht die Kommission Einsparpotentiale durch Fächerkonzentrationen zwischen Heidelberg und Mannheim und bei Förderprogrammen aller Art. (Die Liste der Prüfaufträge kann im ZFB eingesehen werden.)
Derweil stellt sich heraus, dass der Drang zur Auflösung der ZVS und ihr Ersatz durch lokale Auswahlverfahren (a.k.a. Masterplan "Gefalle deinem Prof") nicht nur ideologisch motiviert sein muss -- es mag durchaus sein, dass die Gebühren, die das Land an die ZVS für ihre "Dienstleistung" abführen muss, auch eine Rolle spielen bei diesen Begehrlichkeiten. Zwar kosten auch Auswahlverfahren, und zwar deutlich mehr, doch müssen mit diesen Kosten die Unis fertig werden. Sollten die nichts finden, was sie dafür streichen können, auch nicht schlimm. Der Rektor hat sich bereits auf der letzten Jahresfeier mit Verve dafür eingesetzt, derartige Kosten auf die zu Erwählenden umzulegen. ("Über die Niederschlagung von Auswahlkosten aus sozialen Gründen im Einzelfall kann selbstverständlich gesprochen werden.") Der Haushalt des MWK ist jedenfalls erstmal aus dem Schneider.
Derweil entwickelt die öffentliche Hand durchaus einige Kreativität, wenn es darum geht, tolle neue Projekte aus der Taufe zu heben. Jüngstes Beispiel ist die Gründung der Pop-Akademie Mannheim, an der ab dem nächsten Wintersemester immerhin satte 55 Studis pro Jahr Bachelors (in einer völligen Begriffsverwirrung werfen die MacherInnen des Ladens auch mal den Begriff "Bachelor-Diplom" in den Ring, dabei weiß inzwischen jedes Kind, dass man mit einem deutschen Diplom absolut überhaupt gar keine Chance auf dem internationalen Arbeitsmarkt hat) in Musikbusiness oder Popmusikdesign erwerben können sollen -- die Stadt Mannheim hat dabei über 3 Millionen Euro für den Bau locker gemacht, das Land schießt eine halbe Million Euro jährlich zu, und zwar aus Mitteln der Popförderung (die dann natürlich woanders fehlen) und, extra martialisch, aus der Zukunftsoffensive III. Damit muss die tolle neue Mini-Uni noch 1.5 Millionen Euro selbst aufbringen, die, so scheint es, teilweise von solch ausgewiesenen Menschenfreunden wie Universal Music kommen, aber, so wetten wir, auch durch saftige Studiengebühren eingetrieben werden sollen. Leider geht aus den der Redaktion im Augenblick vorliegenden Materialien nichts über deren Höhe hervor. Das wird dann wohl noch früh genug rauskommen...
Angesichts solch toller und bunter Lach- und Sachgeschichten ist der Verlust der Technikfolgenabschätzung verschmerzbar. Zumal, da eine weitere neue Einrichtung im Ländle eventuell nicht abgeschätzte Folgen von Technologie beherrschbar macht: Das Center for Disaster Management and Risk Reduction Technologies (eine richtige Webseite scheint das ganz frisch gegründete Zentrum noch nicht zu haben), kurz das Zentrum für Katastrophenmanagement, ein gemeinsames Projekt von Uni Karlsruhe und Geoforschungszentrum Potsdam, wird uns in der Not schon sagen, wie wir mit Flutkatastrophen, Epedemien von Atemwegserkrankungen und großflächiger Verstrahlung leben können.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 15.01.2003, 26.01.2003, 26.03.2003, 04.07.2003