Landes-Asten-Konferenz Baden-Württemberg
Januar 2001
Die LAK Ba-Wü nimmt zu den bildungspolitischen Themen der Landtagswahl wie folgt Stellung.
Der gesetzlich festgeschriebene soziale Auftrag spielt bei der
Wirtschaftsplanung der Studentenwerke eine immer geringere Rolle.
Stattdessen orientiert sich das Wirtschaften der Studentenwerke verstärkt an
ökonomischer Effizienz, da das Land gravierende Kürzungen vornimmt. Diese
Entwicklung hat zur Folge, dass die Kosten der Sozialaufwendungen verstärkt
an die Studierenden weitergegeben werden.
Dies führt zu Verteuerungen der Mensapreise, kontinuierlichen Steigerungen
der Wohnheimsmieten und zur Gefährdung des Weiterbestandes der
Psychotherapeutischen Beratungsstellen.
Die LAK Ba-Wü fordert das Land auf, seiner sozialen Aufgabe auch gegenüber den Studierenden gerecht zu werden.
Die verfasste Studierendenschaft gibt es in allen deutschen Bundesländern -
außer in Bayern und Baden-Württemberg!
Im Vergleich zu den anderen Studierendenvertretungen der Bundesrepublik
haben die baden-württembergischen und bayrischen gesetzlich vorgeschriebenen
Studierendenvertretungen weder Satzungs- noch Finanzautonomie.
Durch die Politik der aktuellen Regierung, die den Studierendenvertretungen
kein hochschulpolitisches und politisches Mandat zuzugestehen, wird den
Studierenden jegliche Mündigkeit abgesprochen. Hochschulpolitik und
Allgemeinpolitik gehen dabei fließend ineinander über und lassen sich nicht
klar gegeneinander abgrenzen.
Ein daraus resultierender Effekt ist die immer geringere Bereitschaft der Studierenden, an der Selbstverwaltung der Hochschulen mitzuwirken. Auch im Hinblick auf die - von uns seit langem geforderte - Vergrößerung der Hochschulautonomie wird dies auf lange Sicht fatale Folgen haben. Dass die Studierenden sich zu einem großen Teil nicht mehr als einen mitbestimmenden Teil der Hochschule betrachten, ist eine Auswirkung der Politik der Landesregierung. Die für eine Demokratie essentielle Überzeugung, Teil eines Ganzen zu sein und die Möglichkeit zu haben, durch Engagement Einfluss auf Entscheidungsprozesse und Willensbildung zu haben, geht immer mehr verloren. Die LAK Ba-Wü fordert die Parteien auf, sich für die Wiedereinführung der verfassten Studierendenschaft mit Satzungs- und Finanzautonomie sowie politischem Mandat einzusetzen.
Die Landespolitik darf bei der Verantwortung für eine ernsthafte Ausbildungsförderungsreform nicht alleine auf die Bundesebene verweisen. Von Landesseite kann sowohl über Bundesrat als auch über die KultusministerInnenkonferenz bedeutender Einfluss ausgeübt werden. Die groß angekündigte BAföG-Reform der Bundesregierung führte zwar zu Verbesserungen, aber nicht zur laengst überfälligen Anpassung an eine geänderte Gesellschaftsstruktur. Das lange von weiten Teilen zumindest der SPD protegierte Drei-Körbe-Modell des DSW wurde nicht umgesetzt. Das Missverhältnis von Studierenden aus finanziell besser ausgestatteten Familien und Studierenden aus sogenannten "bildungsfernen" Schichten ist nach wie vor frappierend. Laut einer Studie der OECD studieren in Deutschland immer noch zu wenig Menschen. Vor dem Hintergrund der These, dass AkademikerInnen ein wichtiger "zukunftsträchtiger Rohstoff" der Bundesrepublik seien, konterkarieren die genannten Verhältnisse jegliche Zukunftspolitik innerhalb der Bundesrepublik. Die von allen Parteien beschworene soziale Gerechtigkeit ist nicht gegeben.
Die LAK Ba-WÜ fordert die sich an der nächsten Landesregierung beteiligenden Parteien auf, sich für eine Reform des BAföG in diesem Sinne einzusetzen.
Wir sprechen uns eindeutig gegen Studiengebühren in jeglicher Form aus! Studiengebühren machen eine Hochschulausbildung zur Angelegenheit der finanziell besser ausgestatteten Bevölkerungsteile. Nach wie vor unterliegt die Absolvierung eines Hochschulstudiums wirtschaftlichen und sozialen Selektionsmechanismen. Studiengebühren zementieren diese Situation. Nach der 15. Sozialerhebung des Studentenwerks sind 67% der Studierenden Baden-Württem-bergs erwerbstätig, 17% finanzieren ihr Studium komplett selbst. Für diese Studierende ist keine Möglichkeit geschaffen worden, ihr Studium in einer Form durchzuführen, die sie vor den Gebühren bewahrt. Die Teilzeitstudiumsprojekte laufen nach 4 Jahren nur langsam an und lassen in der Mehrzahl Erwerbstätigkeit nicht als Teilzeitstudiumsgrund gelten. Kindererziehung über dem 6 Lebensjahr, Pflegefallbetreuung, mangelnde Studieninformationen in der Phase des Abiturs, veralteter Studienaufbau, nicht zufriedenstellende Ausbildungs-förderung, fehlende Ausstattung in einer großen Anzahl von Fachbereichen: Dies sind nur einige weitere Gründe, die eine Hochschulausbildung unnötig in die Länge ziehen.
Statt Abhilfe zu schaffen, werden die Betroffenen als "Bummelstudenten" stigmatisiert. Die CDU beschreibt in ihrem Wahlprogramm, wie erfolgreich sie ist, indem 18.000 Studierende ihr Studium entweder abgebrochen oder an einen Hochschulstandort außerhalb Baden-Württembergs verlegt haben. Die sogenannten "Langzeitstudiengebühren" betreffen zum großen Teil Studierende, die sich gerade in der Abschlussphase ihres Studiums befinden und die unter dem Druck, Studien-gebühren finanzieren zu müssen, durch Erwerbstätigkeit gezwungen sind, ihr Studium noch weiter zu verlängern. Die Ausgaben für Bildung sind gemessen am Bruttosozialprodukt in Deutschland so niedrig wie noch nie. Auch im internationalen Vergleich nimmt die Bundesrepublik einen niedrigen Platz ein.
Die LAK Ba-Wü fordert die zukünftige Regierung auf, jegliche Form von Studiengebühren wieder abzuschaffen.
Der zwischen den Hochschulen und der CDU/FDP-Regierung vereinbarte
Solidarpakt darf nicht fortgeführt werden! Es muss stattdessen wieder real
in Bildung investiert werden.
Die derzeitige Landesregierung verkündet im Wahlkampf, mit der
"Zukunftsoffensive Junge Generation" ein Projekt für neue Generationen
anzukurbeln, das durch den Verkauf staatlichen Eigentums finanziert wird.
Allerdings besteht sie gleichzeitig im Rahmen des Solidarpaktes auf einer
Reduzierung der Personalstellen an den Hochschulen um zehn Prozent, obwohl
sie selbst einen durch die Steigerung der SchulabgängerInnen mit allgemeiner
Hochschulreife bedingten vergrößerten Zulauf für die Hochschulen
prognostiziert. Schon jetzt leiden die Hochschulen spürbar am staatlich
verordneten Personalmangel. Eine erhebliche Anzahl an Lehr- und
Forschungs-projekten kann nicht mehr verwirklicht werden - die Situation von
Serviceeinrichtungen wie Bibliotheken und Rechenzentren ist an einigen
Hochschulstandorten verheerend.
Die LAK Ba-Wü fordert die zukünftige Regierung auf, den Solidarpakt nicht fortzuführen und stattdessen wieder real in Bildung zu investieren.
Wir fordern eine grundlegende Überarbeitung der Hochschulgesetze! Die
ohnehin schon geringe Mitbestimmungsmöglichkeit der Studierenden wird nicht
maßgeblich verbessert.
Eine verfehlte Zwangsverordnung im Bereich der Lehre ist die Einführung der
Orientierungs-prüfungen im 2. Fachsemester. Nichtbestehen der Prüfung führt
zu einem Verlust der Zulassung zu einem Studiengang. Eine Orientierung wird
damit durch eine vorgegebene frühzeitige Fixierung auf den eigenen
Studiengang unmöglich gemacht.
Die vorgebliche Vergrößerung der Hochschulautonomie, die die neuen Hochschulgesetze (und auch das neue Studentenwerksgesetz) vorsieht, wurde angesichts der Mitspracherechte des Wissenschaftsministeriums in wichtigen Gremien kaum erfüllt. Sowohl in den Hochschulräten als auch in den Aufsichtsräten des Studentenwerks haben ministerielle VertreterInnen einen zwar nur beratenden, aber einflussreichen Sitz.
Durch die Hierarchisierung der Entscheidungsstrukturen und der übermäßig mächtigen Position der ProfessorInnen kommt der demokratische Leitgedanke der Gruppenuniversität nicht mehr zum Tragen. Die Motivation der Studierenden, innerhalb der Gremien der Selbstverwaltung der Hochschule mitzuarbeiten, hängt entscheidend von der Möglichkeit ab, die in die Diskussion eingebrachten Konzepte auch realisieren zu können. Gerade die Forderung nach mehr Hochschulautonomie, sollte mit einer stärkeren Einbindung aller in den Entscheidungs-prozessen Beteiligten einhergehen.
Die LAK Ba-Wü fordert die Demokratisierung der Hochschulen, stärkere Kontrollmöglichkeiten über das Rektorat und die Fakultätsvorstände sowie eine paritätische Wahl aller Hochschulgremien.