Das hier ist ein Text, den der UNiMUT nicht direkt I geschrieben hat, den wir aber entweder total scheiße oder I| beeindruckend gut finden. I| ============================================================| ------------------------------------------------------------ Berlin Do 13.06.2002 Regierungserklärung von Bundeskanzler Schröder zum Thema Bildung und Innovation Es gilt das versprochene Wort! Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind es unseren Kindern schuldig, dass sie alle Bildungschancen bekommen, um in einer Welt bestehen zu können, in der die Verwirklichung der persönlichen Lebensziele immer mehr vom Wissen abhängt. "Bildung" ist für mich das zentrale Thema moderner Gesellschafts­politik und Zukunftsgestaltung. Der Zugang zu den Bildungschancen und die Qualität unserer Bildungs­angebote - das ist die soziale Frage des beginnenden 21. Jahrhunderts. Bildungschancen sind stets Lebens­chancen. Dieser Tatsache muss verantwortliche Politik, die Zukunft gestalten, Gerechtigkeit sichern und den Menschen Chancen eröffnen will, Rechnung tragen. Bildung betrifft uns alle. Deshalb gehört das Thema "Bildung" in das Zentrum der politischen Debatte. Meine Damen und Herren, für den Einzelnen und für die Gesellschaft insgesamt ist Bildung die beste Zukunftsinvestition und die wichtigste Form der Zukunftsvorsorge. Bildung ist der Schlüssel zum Arbeitsmarkt und zu gesellschaftlicher Anerkennung. Bildung ist immer noch der beste Schutz gegen Arbeitslosigkeit. Bildung öffnet die Türen zur Entfaltung individueller Begabungen und Fähigkeiten, aber auch zu einem verant­wortungsbewussten Leben in der Gemeinschaft. Bildung ermöglicht Teilhabe nicht nur am Wohlstand, sondern auch an den Entscheidungen der Gesellschaft. Und Bildung vermittelt Werte und Orientierung in einer Welt, die sich ökonomisch, sozial und kulturell rasant verändert. Eine gute Bildungspolitik setzt auf Leistung und Solidarität - und nicht auf Privilegien durch Herkunft oder den Geldbeutel der Eltern. Gute Bildungspolitik ist die Voraussetzung für gesellschaftliche Gerechtigkeit. Aber sie macht auch den Unterschied aus zwischen Gerechtigkeit und Gleichmacherei. Denn eine Bildungspolitik, die nicht alle Schüler, nicht alle Begabungen fördert und fordert, schafft am Ende nur die Gleichheit in der Mittelmäßigkeit. Deswegen halten wir daran fest, alle Talente unabhängig von der Herkunft zu fördern. Denn unser Land braucht alle Schüler. Wir können es uns nicht leisten, auch nur eine einzige Begabung ungenutzt zu lassen. Deswegen haben wir in einem beispiellosen Kraftakt die Mittel für Bildung und Forschung Jahr für Jahr erhöht. Die Bundesbildungsministerin hat in diesem Jahr fast 9 Milliarden Euro für Bildung und Forschung zur Verfügung. Das ist eine Steigerung um mehr als 21 Prozent gegenüber 1998. Die Bundesregierung weiß, dass in der Bildungspolitik Geld längst nicht alles ist. Aber sie weiß auch, dass gute Bildungs­einrichtungen ihren Preis haben. Wir sind bereit, diesen Preis zu zahlen - für die Zukunft unserer Kinder und kommender Generationen. Wir haben mit dem Ausbildungskonsens, den wir im Bündnis für Arbeit verabredet haben, und unseren Programmen zum Abbau der Jugendarbeitslosigkeit große Erfolge erzielt. Außerdem haben wir im Bündnis für Arbeit wichtige Verbesserungen für die duale Berufsausbildung verabredet. Dadurch konnten insbesondere in den Wachstumsbranchen die Ausbildungs­profile erneuert und 15 neue Ausbildungs­berufe geschaffen werden. Mit der Reform des "Meister-BAföG" haben wir die Aufstiegschancen junger Facharbeiter verbessert und die Anreize für Existenzgründungen verstärkt. Denn gute Bildungspolitik muss vor allem auch eine Erziehung zur Selbstständigkeit sein. Wir haben ferner durch die BAföG-Reform sichergestellt, dass mehr junge Menschen aus Familien mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen die Chance bekommen, ein Studium aufzunehmen. Wir haben dafür gesorgt, dass 80.000 Studenten neu in den Kreis der Geförderten gekommen sind. Denn wir brauchen nicht weniger gut ausgebildete junge Menschen, sondern mehr. Gerade deshalb dürfen wir es nicht zulassen, dass der Zugang zu den Universitäten an fehlenden Finanzmitteln im Elternhaus scheitert. Wir können stolz sein auf die Spitzen­leistungen in Wissenschaft und Forschung, mit denen Menschen aus Deutschland immer wieder Weltruhm erlangen. Wir müssen weiterhin die Voraus­setzungen schaffen, dass unsere Universitäten und Forschungs­einrichtungen attraktiv und wettbewerbs­fähig sind. Mit der Reform des öffentlichen Dienstrechts haben wir die Probleme unseres Hochschulwesens an der Wurzel gepackt. Damit haben wir den wissenschaftlichen Nachwuchs - aber auch die Professorinnen und Professoren - aus dem starren bürokratischen Korsett des vorletzten Jahrhunderts befreit und neue Chancen eröffnet. Für die Attraktivität wissenschaftlicher Einrichtungen ist die Ausstattung der Hochschulen und Forschungsinstitute entscheidend. Die Bundesregierung hat seit 1998 die Mittel für den Hochschulbau um fast 20 Prozent erhöht. Unsere Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind für den internationalen Wettbewerb jetzt wieder besser gerüstet. Nach den USA und Großbritannien ist Deutschland mittlerweile das attraktivste Gastland für Studierende aus aller Welt. Auch das ist ein ermutigendes Zeichen, und es ist gut für unser Land. Wissenschaft und Forschung, wir alle wissen das, sind für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung von überragender Bedeutung. Wir haben die Ausgaben für Wissenschaft und Forschung deutlich erhöht, und seitdem steigen auch die Ausgaben der privaten Unternehmen für Forschung und Entwicklung. Deutschland ist wieder zu einem der attraktivsten Innovationsstandorte der Welt geworden. Bei der Biotechnologie wird das besonders deutlich. Ihr haben wir zu neuem Aufschwung verholfen. Die Zahl der Biotechnologie-Unternehmen hat sich seit 1998 um 65 Prozent erhöht. Deutschland steht in der Biotechnologie in Europa heute wieder an der Spitze. Ein solides Fundament ist gelegt. Und wir haben uns ehrgeizige Ziele gesetzt: Wir wollen die Arbeitsplätze in der Biotechnologie in den nächsten fünf Jahren mehr als verdoppeln. Was wir in der Biotechnologie geschafft haben, werden wir bei anderen Schlüsseltechnologien wie der Nanotechnologie und den Optischen Technologien auch erreichen. Deutschland ist heute wieder attraktiv - für Wissen und für Kapital. Damit sind die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Aufschwung und Arbeitsplätze geschaffen. Wir haben zahlreiche neue Stellen für Frauen in Forschungseinrichtungen geschaffen, um Wissenschaftlerinnen dort bessere Perspektiven zu eröffnen. Und wir haben endlich dafür gesorgt, dass Forschungseinrichtungen auch Kinderbetreuung anbieten können. Damit Familie und Beruf auch bei Spitzen­forscherinnen und -forschern besser vereinbart werden können. Das macht die deutschen Forschungs­einrichtungen auch international attraktiv. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung hat vieles von dem, was in der Bildungspolitik nötig war, angepackt und zu verändern begonnen. Aber das ist noch längst nicht genug. In keinem vergleichbaren Land entscheidet die soziale Herkunft so sehr über die schulische Laufbahn und den Bildungs­erfolg wie bei uns. Darum haben wir dafür gesorgt, soziale Benachteiligungen im Bildungs­system abzubauen. Das müssen und das wollen wir fortsetzen. Dabei geht es nicht nur um den Zugang zu Bildungseinrichtungen. Es geht vor allem um Inhalt, Qualität und Ausstattung unserer Bildungsangebote. Meine Damen und Herren, die Ergebnisse der PISA-Studie können niemanden gleichgültig lassen. Wir alle müssen uns selbstkritisch fragen, warum ein Land mit der wirtschaftlichen und politischen Bedeutung und der kulturellen Tradition Deutschlands nicht in der internationalen Spitzengruppe mithält. Die in Deutschland lebenden und lernenden Kinder sind mit Sicherheit nicht dümmer oder lernunwilliger als finnische, schwedische oder kanadische Schüler. Aber diese Länder haben ihr Bildungs­wesen beizeiten reformiert - während das deutsche Schulsystem offenkundig nicht in der Lage ist, Förderung und Integration aller Schüler zu gewähr­leisten. Auf den Alltag in Schulen mit multi-ethnischer Zusammensetzung sind unsere Pädagogen gar nicht oder nur mangelhaft vorbereitet. In kaum einem anderen europäischen Land hält sich so hartnäckig der - wissenschaftlich längst widerlegte - Irrglaube, dass junge Menschen nur dann eine glückliche Kindheit haben, wenn sie möglichst spät mit dem Lernen beginnen. Viel zu lange schon sind die pädagogischen Möglichkeiten, aber auch die pädagogischen Notwendigkeiten in den Kindergärten, Vorschulen und Grundschulen unterschätzt und vernachlässigt worden. Im Ergebnis schafft es unser Bildungs­system nicht, die Leistungsschwächeren in den späteren Schuljahren ausreichend zu stärken. Und damit behindern wir auch die Leistungsstärkeren in ihrer Entfaltung. Und wir lassen zu, dass Lehrerinnen und Lehrer mit den Aufgaben nachholender Erziehung und Integration überfordert werden. Meine Damen und Herren, wir dürfen es uns nicht zu leicht machen und die durch PISA zutage getretenen Probleme auf die Schwierigkeiten von Kindern mit Sprachdefiziten aus Migranten­haushalten reduzieren. Diese Schwierigkeiten haben andere Länder auch, deren Schüler weit besser abgeschnitten haben. Aber natürlich ist es ein Alarmsignal, wenn die Hälfte der Kinder aus Zuwandererfamilien nur die Hauptschule schafft oder die Schule ohne jeden Abschluss verlässt. Hier darf die Bildungspolitik nicht wegsehen, sondern wir müssen gezielt fördern und auch fordern. Meine Damen und Herren, es wird immer deutlicher, dass nicht nur in den hochqualifizierten Berufen das "lebenslange Lernen" immer wichtiger geworden ist. Wir müssen Abschied nehmen von der Vorstellung, Bildung wäre nur eine Etappe auf dem Weg zum Erwachsen­werden. Und nach dieser Etappe hätte man gleichsam "ausgelernt". Die zentrale Herausforderung durch die Wissensgesellschaft besteht eben nicht darin, mehr Wissen zu lernen - sondern das Lernen zu lernen und praxisnah zu lernen. Was zählt, ist nicht die Quantität der Informationen, sondern die Qualität. Was zählt, ist die Fähigkeit, diese Informationen einordnen und anwenden zu können. Was zählt, ist eine Bildung, die zum Ziel haben muss, die Fähigkeiten, die Kreativität und die Selbst­verantwortung der Menschen zu fordern - und zu fördern. Meine Damen und Herren, wir alle hoffen, dass die Schreckenstat, der im April am Gutenberg-Gymnasium in Erfurt 17 Menschen zum Opfer gefallen sind, ein Einzelfall bleiben wird. Dennoch müssen wir fragen, welche Fehlentwicklungen in unserer Schulkultur, in unserer Gesellschaft und im Verhältnis von Schule, Familie und Nachbarschaft hier womöglich nur grausam beleuchtet worden sind. Und wir müssen uns fragen, welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Ich habe dem Gutenberg-Gymnasium zugesagt, die Schule auf Kosten des Bundes wieder herrichten zu lassen. Das war nicht nur als Symbol des Beistands gemeint. Mir geht es vor allem darum, die Missstände zu beseitigen, die uns auch durch diese Gewalttat vor Augen geführt wurden. In einer Zeit, da das Erwachsenwerden immer weniger an feste Daten und Rituale geknüpft ist - und es daher für etliche Jugendliche auch komplizierter wird, diesen Prozess zu bestimmen - reicht die Vermittlung fachlicher und kognitiver Kompetenzen durch die Schule oft nicht mehr aus. Bildung muss auch Werte, Normen und Haltungen vermitteln, auf die sich unsere Gesellschaft mit guten Gründen geeinigt hat und auf die unsere Gemeinschaft gebaut ist. Bildung muss Kompetenzen vermitteln: die Fähigkeit zur Selbst- und Fremd­wahrnehmung im Zusammenleben der Kulturen, technologische Kompetenz, ökologische Kompetenz, schließlich die Fähigkeit, Recht und Unrecht zu erkennen. Es geht darum, soziale Kompetenzen für ein Miteinander in unserer flexiblen Gesellschaft zu erlernen. Wir müssen auch den verantwortungs­bewussten Umgang mit Medien vermitteln - nicht nur den Umgang mit der Fernbedienung. Was die Frage der Gewaltdarstellungen in Medien und Computerspielen angeht, habe ich darüber Gespräche mit den für die Programme Verantwortlichen geführt - und bin dort auf sehr viel Zustimmung gestoßen. Aber mit der Überprüfung des Programmangebots ist es nicht getan. Wir brauchen eine gesellschaftliche Erziehung, die auch kulturelle und emotionale Fähigkeiten ausbildet. Wir brauchen eine Bildung, die Sicherheit und Toleranz vermittelt. Nur dadurch werden wir die Internationalität entwickeln, auf die wir in der globalisierten Weltwirtschaft angewiesen sind. Wir sollten deshalb auch dafür sorgen, dass früher als bisher mit dem Fremd­sprachenunterricht begonnen wird: Europa muss auch in unseren Schulen stattfinden. Unsere Schulen und Bildungs­einrichtungen müssen wieder Neugier, Wissensdurst und eigenständiges Denken fördern, statt in überfüllten Klassen mit überforderten Lehrern emotionalen und psychischen Stress zu erzeugen. Meine Damen und Herren, die Bundesregierung nimmt die Verantwortung wahr, die ihr im Rahmen der Bildungsplanung zukommt. Bildung ist eine nationale Aufgabe, und es bedarf einer gemeinsamen Kraft­anstrengung, um Fehlentwicklungen zu erkennen und zu korrigieren. Es ist seit langem bekannt, dass pädagogisch profilierte Ganztags­einrichtungen der geeignete Rahmen für qualitativ hochwertigen Unterricht sind. In keinem der Länder, die beim PISA-Vergleich besonders gut abgeschnitten haben, werden die Kinder um die Mittagszeit - oder, wie bei uns, manchmal noch früher - aus der Schule geschickt. In Ganztagsschulen lassen sich Bildung und Erziehung leichter miteinander verbinden. Eine Ausweitung der Möglichkeiten der Ganztagsbetreuung ist aus familienpolitischen Gründen ohnedies eine Notwendigkeit. Im Vergleich zum europäischen Ausland ist die Zahl der Ganztagsschulen in Deutschland geradezu beschämend niedrig. Deshalb wird die Bundesregierung ein Programm "Zukunft Bildung und Betreuung" mit einem Umfang von 4 Milliarden Euro auflegen. Das ist eine Investition in die Zukunft. In die Zukunft unserer Kinder und unseres Landes. Wir werden die Länder mit einer Milliarde Euro pro Jahr unterstützen, um das Angebot an Ganztagsbetreuung und Ganztagsschulen auszubauen und zu verbessern. Durch dieses Programm können bis 2007 insgesamt 10.000 zusätzliche Ganztags­schulen entstehen. Meine Damen und Herren, bei den Reformen für eine bessere Bildung und mehr Chancengleichheit liegen noch immer große Aufgaben vor uns. Aufgaben, die unsere Gesellschaft nur in einer großen Anstrengung und ohne ideologische Scheuklappen gemeinsam bewältigen wird. Aufgaben, die nicht schon morgen erledigt sind, die aber dennoch heute angepackt werden müssen. Bedenken wir dabei vor allem eines: Es geht nicht in erster Linie um die Menge Geldes, die wir in Bildung investieren. Oder um die Anzahl der Diplome, die wir vergeben. Sondern es geht um die Schule für das 21. Jahrhundert. Um Fortschritte auf dem Weg zu einer guten Zukunft. Um die Chancen unserer Kinder. Und um die Entfaltung der Freiheit und der Kreativität der Menschen in unserem Land. Ich danke Ihnen. ---- Die Rechte für dieses Dokument verbleiben bei der/dem AutorIn. Der UNiMUT distanziert sich von allem, was hier drin steht.