Dies hier ist ein Dokument, das nicht vom UNiMUT geschrieben wurde. Der UNiMUT findet das, was hier steht, bestimmt entweder bescheuert oder total gut.

Folgender Brief ging uns von einem ehemaligen Mitarbeiter des UNiMUT mit der Bitte um Veröffentlichung zu. Diesem Wunsch kommen wir natürlich gern nach.

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in Bethlehem, 26.Oktober 2001

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister Fischer,

wir leben und arbeiten in Bethlehem als Jugendarbeiter, Musiklehrer und Reiseleitertrainer. ---- ------ aus Miesenheim bei Andernach leistet hier über SDFV , "Sozialer Dienst für Frieden und Versöhnung im Ausland" der Diözese Trier seinen Ersatzdienst. -------- ---- aus Goldbach bei Aschaffenburg ist vom Evangelischen Entwicklungsdienst (EED) entsandt und finanziert als "Zivile Friedensfachkraft" (ZFD) des Bundesministeriums für Entwicklung und wirtschaftliche Zusammenarbeit. ------- ----- aus Kaiserslautern begann hier im Rahmen seiner Ausbildung für die Evangelische Kirche der Pfalz. Wir alle kamen hierher in der grossen Hoffnung, dass die Menschen in Palästina ihren Staat bekommen, für den sie bereits so viele Kompromisse eingegangen sind und auf den sie so lange gewartet haben. Wir unterstützen dieses berechtigte Anliegen, indem wir uns mit unserer Arbeit für eine selbstbewusste und demokratische palästinensische Zivilgesellschaft einsetzen.

Vor einer Woche ist israelisches Militär in die Geburtsstadt Jesu einmarschiert. Was wir seitdem erleben, macht uns zutiefst traurig und hat unsere Hoffnung auf eine Nachbarschaft in gegenseitigem Respekt schwer getroffen. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung und indem eine ganze Partei zu Terroristen erklärt wird, verbreiten Panzer und Scharfschützen Angst und Schrecken unter der Zivilbevölkerung. Die Mehrzahl der 21 Toten in Bethlehem in den letzten 8 Tagen sind Zivilisten. So werden unsere freiheitlichen Werte mit Füßen getreten. Wir halten daran fest: Menschenrechte gelten für alle Menschen.
Unseren israelischen Freunden müssen wir als Deutsche sagen: Die israelische Regierung zerstört mit ihrer Aggression die Grundlagen der möglichen Nachbarschaft mit den palästinensischen Bürgerinnen und Bürgern des zukünftigen Staates Palästina. Lippenbekenntnisse helfen nicht weiter; nach mehr als 30 Jahren Besatzung und Erniedrigung verdienen die Menschen im Westjordanland und im Gazastreifen endlich die spürbare Achtung ihrer Menschenwürde. Alle hier fragen sich: Wie weit wird die israelische Armee noch gehen? Was wird die nächste Eskalation sein? Wir fragen uns: Wie sollen unsere palästinensischen Mitmenschen jemals wieder Vertrauen zu ihren israelischen Nachbarn fassen, nachdem die über 30 Jahre währende Besatzung eine unvorstellbare Steigerung erfahren hat?

Die Berichterstattung in Deutschland scheint einer Generallinie zu folgen, die die Situation der Menschen in Palästina im Dunkeln lässt. Die seelischen Verletzungen nicht nur in Bethlehem sind tief und von den sichtbaren Schäden können wir gar nicht alles erwähnen.

Hier einige Beispiele: Institutionen der Zivilgesellschaft werden systematisch beschädigt. Die Universität Bethlehem, die Entbindungsklinik "Heilige Familie" mit Waisenhaus sowie das "Hussein"-Krankenhaus in Beit Jala wurden mit Maschinengewehren und Granaten beschossen. Die neuen Wasserleitungen des Bethlehem 2000 Projektes wurden zerstört. Sanitäter und Ärzte wurden an der Hilfeleistung gehindert, andere während ihres Einsatzes von Scharfschützen verletzt. Wir meinen, Berichterstattung muss die gesamte Lebenswirklichkeit der Menschen abbilden: Ihre Arbeit, ihre Freude -- ihr Leiden, ihr Hoffen.

Wir haben uns in die Altstadt von Bethlehem geflüchtet, wo wir sicher sind vor Scharfschützen, wahllos abgefeuerten Maschinengewehrsalven und Panzerbeschuss. Aber wer ist in diesen Tagen noch sicher? ---- ------ dazu: "Ich habe den Ersatzdienst bewusst gewählt, um mich für Frieden einzusetzen. Und jetzt bin ich von allen meinen Freunden, die zur Bundeswehr gingen, wahrscheinlich der Einzige, der einen richtigen Krieg miterlebt." Wir sind weiterhin vor Ort, weil wir die palästinensischen Bürgerinnen und Bürger nicht im Stich lassen wollen, in einer Zeit, wo sie sich von Europa verlassen fühlen. Wir sind hier, um unsere Stimmen zu erheben und die Welt zu informieren, so weit sie es will.

Sehr geehrter Herr Bundesaußenminister, wir wissen sehr gut, wie verfahren die Situation bereits ist. Wir wünschen uns klarere Worte als bisher, auch von der offiziellen Außenpolitik der Bundesrepublik. So sehr die westliche Welt den Staat Israel unterstützt, so sehr muss sie Tacheles reden. Im Namen der westlichen Zivilisation muss der Zerstörung und dem Töten Einhalt geboten werden. Alle bisher geleistete Hilfe der Europäischen Union an Palästina steht auf dem Spiel. Arbeiten Sie bitte für die Schaffung eines souveränen Palästinenserstaates mit klaren Grenzen. Das ist die einzige Lösung. Nur so kann das Feuer des Fundamentalismus gestoppt und den ständigen Konflikten der Boden entzogen werden. Würden wir jetzt schweigen -- wir würden unseres Lebens nie mehr froh werden! Gerade als Deutsche, die mit der schweren Hypothek und Schuld unserer Vorväter am jüdischen Volk aufgewachsen sind, tragen wir in uns die feste Überzeugung, dass man seinen Mund aufmachen muss, wo Unrecht und Unmenschlichkeit geschieht.

Wir glauben, dass Sie mehr tun können als bisher. Sprechen Sie mit beiden Seiten solange, bis wenigstens die Panzer wieder abgezogen sind. Lassen Sie Bethlehem wieder Hoffnung fassen!

Hochachtungsvoll,
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