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Rückmeldung - Zeitung des AStA der Universität zu Köln -
Ausgabe Mai '97
Das CHE nimmt Maß
Universitäten müssen effizienter arbeiten
Ludwig Schneider
Im Anschluß an die letzte Sitzung des Senats der Hochschulrektorenkonferenz
(HRK) am 30.1.1997 gab deren amtierender Präsident Erichsen zehn Thesen
zur künftigen Gestaltung des Hochschulrechts bekannt. In der Präambel
ist sehr griffig die Zielbestimmung der Thesen formuliert: Die HRK fordert
für alle Universitäten, daß diese künftig "(...)
ihre Aufgaben (...) mit einem Höchstmaß an Effizienz erfüllen."
Erichsen als Präsident der deutschen HRK hat mit einem "Höchstmaß
an Effizienz" etwas anderes im Sinn, als die Studierenden, nämlich
statt in zehn Jahren künftig in vier Jahren einen guten Kommunismus
zu lehren. Daß ihm und der HRK der Gedanke der "atmenden Universität"
- also die neoliberale Reinigung der Universitäten mit dem Ziel, sie
der kapitalistischen Verwertungslogik zu unterwerfen - nahe liegt, verdeutlicht
der Blick auf die Institution, die Erichsen bei der Formulierung der Effizienzforderung
die Feder geführt hat: Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE).
Das CHE bestimmt die bildungspolitischen Eckdaten der 90er
CHE - dessen Beirat Erichsen angehört - setzt sich zum Ziel, "Modelle
und Konzepte für leistungsorientierte und wettbewerbliche Steuerung
von Hochschulen zu entwickeln und deren Akzeptanz in Hochschule und Gesellschaft
zu erzielen". Dazu legt das CHE diejenigen Merkmale fest, welche eine
Hochschule aufweisen muß, damit sie ihre Aufgaben mit einem Höchstmaß
an Effizienz erfüllen kann: "autonom", "wissenschaftlich",
"profiliert", "wettbewerblich" und "wirtschaftlich"
muß sie sein. Was das bedeutet, erklärt der Leiter des CHE,
Detlef Müller-Böling, in den "Arbeitspapieren" des
CHE. Die Autonomie" der Hochschulen bedeutet unmittelbare inhaltliche
Steuerung und Leistungsdruck der Universitätsverwaltung auf die Wissenschaft.
Müller-Böling sieht ein Organ auf Universitätsebene vor,
das die inhaltliche Steuerung realisieren und den Leistungsdruck ausüben
soll: Den Hochschulrat. Dieser soll sich aus einem paritätisch besetzten
Gremium aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung zusammensetzen und staatliche
Kompetenzen erhalten, z. B. die Ernennung von Professuren, die Genehmigungen
von Prüfungsordnungen und die strategische Schwerpunktsetzung. Das
Effizienzkriterium wird auf der Ebene der Hochschule, also vom Hochschulrat
durchgesetzt, der vor allem dann gefordert ist, wenn eine Professur "nicht
wissenschaftlich" arbeitet. "Wissenschaftlich" wird ausschließlich
marktwirtschaftlich definiert. Es bedeutet, daß die Wissenschaftler
(...) die unmittelbare Verantwortung für die Leistung in Forschung
und Lehre haben (...)", d. h. den Lehrstuhl gegen einen Schleudersitz
eintauschen, für den Fall, daß die Ergebnisse wissenschaftlicher
Arbeit nicht nachgefragt werden, also keinen Gebrauchswert für Unternehmen
haben.
Profilbildung
Wissenschaftliche Arbeit, die sich nicht auf dem Markt verkaufen läßt,
ist demgemäß nicht wissenschaftlich"; es sei denn, die
Kunden wissenschaftlicher Erkenntnisse _ also die Unternehmer _ wissen
nicht, daß die Wissenschaft Erkenntnisse produziert hat, die sich
in ihrem Unternehmen verwerten lassen. Einem derartigen Mißstand
soll mittels Profilbildung" der Universitäten begegnet werden.
Die Hochschule, welche Profil" bildet, ist angehalten, die wissenschaftliche
Arbeit an Leistungskriterien zu orientieren, wie etwa beste Diplomprüfung
Deutschlands" [!] oder international konkurrenzfähiger Forschung".
Mittels eines derartig erstellten Profils, wäre eine schnelle und
zielgerichtete Verwertung wissenschaftlicher Erkenntnisse effektiv möglich,
da die Profile sich im Wettbewerb mit anderen Hochschulen entwickeln und
die Unternehmen zwei Merkmale über den Wettbewerb" feststellen
können: Erstens die Fachbereiche in denen eine Universität profiliert"
forscht und lehrt werden mittels Wettbewerb einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich, womit die potentielle Verwertbarkeit für ein jeweiliges
Unternehmen bekannt wäre und zweitens, der Rang, den die Universität
im Vergleich mit anderen Hochschulen in speziellen wissenschaftlichen Feldern
einnimmt, kann Auskunft darüber geben, wer in bestimmten Forschungsgebieten
die erste"Adresse für verwertbare Ergebnisse ist.
Die Logik der wettbewerblichen" Hochschule schließt neben
der Orientierung der Forschung an Leistungs- und wirtschaftlichen Verwertungskriterien
auch die wettbewerbenden Studierenden mit ein; denn die Professoren sollen
sich die besten Studierenden selbst aussuchen können, da Ansehen,
(...) Mittelzuweisung [und] Gewinnbarkeit von Professoren (...) von der
Qualität der Studierenden und von ihren Arbeitsmarktchancen [!] abhängig
sein werden. Die Ideen" des CHE zur Vollvermarktung der Universitäten
sind keine bloßen Gedankenspiele. Erstes Instrument zur effizienten
Steuerung der Universitäten ist die Einführung von Globalhaushalten"
in den Verwaltungen. Dazu laufen seit 1991 mit Unterstützung des CHE
Modellversuche in insgesamt sieben Bundesländern.
Globalhaushalte
Mit der Einführung der Globalhaushalte" werden die bildungspolitischen
Visionen des CHE _ und vor allem dessen Leiters Müller-Böling
_ schrittweise realisiert. In Niedersachsen wurde beispielsweise ein wissenschaftlicher
Beirat unter Vorsitz von Detlef Müller-Böling von der Landesregierung
berufen. Unter Bölings Regie schlossen sich Wissenschaftler und hohe
Verwaltungsbeamte der Empfehlung an, Professoren, wissenschaftliche Assistenten,
Oberassistenten und Hochschuldozenten im Angestelltenverhältnis zu
beschäftigen, (...) um größere Flexibilität bei der
Besetzung der Stellen zu erreichen". Das hätte zumVorteil, auf
Wünsche von Unternehmen schneller reagieren zu können, ein hochschulpolitisches
Ziel, das die WELT am SONNTAG (23.2.1997) ausdrücklich begrüßt.
Das Blatt bedauert allerdings gleichzeitg, daß die Vermarktung der
Alma mater (...) noch in den Kinderschuhen (...)" steckt. Müller-Böling
selbst präsentierte seine Forderungen jüngst in der ZEIT (21.2.1997)
Mehr Freiheit für die Universität" titelt er und skizziert
die Freiheit der Hochschule der Zukunft nach seiner Vision: Danach ist
die Freiheit der Universität nicht mehr als die Freiheit der Hochschulen,
sich autonom", das heißt unabhängig von gesetzlichen Mindeststandards,
den Anforderungen der Unternehmen dienbar zu machen. Bevor die Universitäten
ihre Fachbereiche von den Unternehmen ausschlachten lassen, müssen
sie sich allerdings die Bonität ihrer wirtschaftlichen Verwertbarkeit
von einer Akkreditierungsagentur bescheinigen lassen, die einen bundesweiten
Wettbewerb unter den Hochschulen mittels Credit-Point-System organisiert.
Studiengebühren bereits konzeptioniert
Daß derartige Visionen, die Müller-Böling mittels CHE
in die Diskussion trägt, hochschulpolitisch Bestand haben, hat die
Einführung der Globalhaushalte gezeigt. Den Studierenden, denen es
noch egal ist, daß Selektion und wirtschaftliche Verwertbarkeit die
Inhalte ihres Hochschulstudiums bestimmen werden, sollten sich spätestens
bei einer weiteren Vision des Herrn Müller-Böling die Frage stellen,
ob sie dessen Programme nicht sabotieren wollen: Zur finanziellen Beteiligung
der Studierenden an den Kosten der Hochschulen hat Müller-Böling
bereits ein Modell im Schreibtisch: Den DSF: den Studienfonds zur Qualitätssicherung
der Hochschulen. Jeder Studierende zahlt pro Semester 1000 DM an die Hochschule.
Studierende, die das Geld nicht aufbringen können, bekommen aus dem
DSF einen Kredit, der später bei der Einkommenssteuer zurückgezahlt
wird. Pro Semester können sich Studierende also in Höhe von 1000
DM verschulden, was _ so Müller-Böling _ in Australien beispielsweise
durchaus akzeptiert ist.
Neben dem BAFöG-Kredit, dem Kredit bei der Ausgleichsbank (das
BAFöG für Studierende über 9 Semester an der Uni) wäre
das also der dritte Kredit, den Studierende zurückzahlen müssen,
wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben. Nach Abschluß des Studiums
wäre mensch dann AkademikerIn mit einem Schuldenberg in sechsstelliger
Höhe.
In der ZEIT (2.5.1997) ist das CHE bereits zum heimlichen Bildungsministerium"
gereift, nichtsdestoweniger warnt die Journalistin Sabine Etzold vor den
Lotsen aus Gütersloh". Die finanzielle Notlage der Hochschulen
ebne den Konzepten des CHE zwar den Weg zu gewisser Attraktivität.
Allerdings warnt sie auch vor dieser Institution, die ihre Handlungsfähigkeit
aus ihrer Unabhängigkeit von Staat und Gesellschaft bezieht (...)
dem eigenen politischen Ehrgeiz zum Opfer (...)" zu fallen. Gelegentlich
habe es Ihrer Meinung nach den Anschein, als diktiere das CHE den Rektoren
und Wissenschaftsministern, wo es langgeht.
Ludwig Schneider ist Mitglied der Alternativen Liste und arbeitet
im Bidungspolitikreferat
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