Das Institut für Übersetzen und Dolmetschen (IÜD) bleibt weiterhin an der Universität Heidelberg. Dies teilte Minister von Trotha am 12.April in Stuttgart mit. In der Pressemitteilung Nr. 82/2000 des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst (MWK) vom 12. April 2000 heisst es hierzu:
"Hintergrund dieser Entscheidung war die Empfehlung der Hochschulstrukturkommission Baden-Württemberg, das Institut in den Fachhochschulbereich zu verlagern. "Nach intensiver Prüfung aller relevanten Gesichtspunkte durch das Wissenschaftsministerium haben wir uns entschieden, die Empfehlung der Hochschulstrukurkommission nicht umzusetzen, sondern das Institut an der Universität Heidelberg zu belassen", sagte von Trotha. Eine Vielzahl von unwiderlegbaren Argumenten habe für diese Entscheidung gesprochen. Der Minister nannte in diesem Zusammenhang vor allem die folgenden Gründe:
Eine aktuelle repräsentative Studie der Universität Mainz, unterstützt von der Europäischen Union, belegt eine ganz erhebliche Nachfrage nach Dolmetschern mit Arbeitssprache Deutsch auf Universitäts-Niveau.
Die Studie ergab ferner, dass das IÜD die wichtigste Institution für die Ausbildung von Diplom-Dolmetschern in Europa ist. Von 550 befragten und in der EU beschäftigten Diplom-Dolmetschern erwarben 15% ihr Diplom in Heidelberg, 12,8% in Germersheim, 5,6% in Saarbrücken, Paris 6%, Genf 3,96% und FH Köln 1,13%.
Das IÜD hat mit einem hohen Anteil ausländischer Studierender (25,25%) und einem sehr hohen Frauenanteil (87,88%) eine herausgehobene Bedeutung.
Übersetzer und Dolmetscher arbeiten nicht mehr nur im klassischen Bereich der reinen Sprachvermittlung. Die IÜD-Absolventen arbeiten vielfach in neuen, spannenden und gut dotierten Berufsfeldern (Software Lokalisierung, Web-Publishing, cultural consultants, Videoconferencing, Kongressmanager usw.). In diesem Zusammenhang gewinnt auch die Frage der Weiterbildung an Bedeutung.
Der Minister wies darauf hin, dass der Erhalt des Instituts an der Universität Heidelberg aber nicht bedeute, alles beim alten zu belassen. "Das Ministerium strebt eine qualitative und quantitative Überarbeitung der Studiengänge an. Dabei wird auch eine Kooperation zwischen dem Institut und einer Fachhochschule im Zusammenhang mit technischen Fachsprachen zu erwägen sein", sagte von Trotha. Um zu einer Modernisierung und zeitgemäßen Weiterentwicklung des Studienangebots am IÜD zu gelangen, plant das Ministerium die Einsetzung einer Fachkommission, die Empfehlungen für die Weiterentwicklung von Ausbildungsinhalten und Ausbildungsstrukturen vorlegen soll. Dabei soll auch geprüft werden, ob und inwieweit eine engere Zusammenarbeit mit Fachhochschulen angestrebt werden soll. Die Kommission, die aus Vertretern von Hochschulen, der Wirtschaft, des Berufsverbands und der Übersetzungsdienste zusammengesetzt sein wird, soll noch vor der Sommerpause ihre Arbeit aufnehmen.“
Die Darstellung des Ministeriums suggeriert, dass die Beschlüsse der Hochschulstrutkturkommission (HSK) von juristischer Bedeutung sind. Dies ist aber nicht der Fall: die HSK ist kein im Gesetz vorgesehenes Gremium und hat keinerlei Rechte, Pflichten oder Befugnisse. Allerdings läßt sich die Politik gerne von unabhängigen Kommissionen beraten. Bekannt geworden ist zum Beispiel die "Strukturkommission Lehrerbildung 2000" (kurz: "PH 2000"). Eine ihrer zentralen Empfehlungen lautete: "Die Kommission empfiehlt einstimmig die Integration der Pädagogischen Hochschulen als Erziehungswissenschaftliche Fakultät in die bestehenden Universitäten." Da das nicht das vom Ministerium ("wirsindstolzaufunserdifferenziertesHochschulsystem") erwartet Ergebnis war, verschwand ihr Abschlussbericht in der Diskussion und im Ministerium. Es gab nie eine Presseerklärung, warum die PHen nicht in die Universitäten integriert werden. In der Regel jedoch liefern unabhängige Kommissionen Ergebnisse. Aufgrund dieser zielorientierten Arbeit kann es dann allerdings offenbar schon passieren, dass Argumente übersehen werden, die sogar von Trotha überzeugen...
Da jedoch nicht alle dummen Empfehlungen vom Ministerium übergangen werden, darf man auch vermuten, dass im Hintergrund viel geklüngelt wurde. Bekanntlich hat auch das Rektorat - die Fakultät umgehend - dem Ministerium angeboten, den bisherigen (offensichtlich erfolgreich studierten) Diplom-Studiengang durch einen Bachelor-Studiengang zu ersetzen. Dass dies innovativ ist, wird die vom Minister einzusetzende Fachkommission sicher gerne aufzeigen.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 13.10.2004, 20.07.2005