Mit Strohballen und Transparenten wurde der Schichtwechsel im AKW um über eine Stunde verzögert. |
Das AKW Biblis, 25 Kilometer nordöstlich von Heidelberg, gehörte lange Zeit zu den Vorzeigeobjekten der Deutschen Atomindustrie -- der Beinahe-GAU vor fast elf Jahren zehrte allerdings nachhaltig an diesem Image, und mittlerweile ist schon fast ausgemacht, dass einer der beiden Blöcke in den nächsten Jahren stillgelegt wird, quasi als rot-grüner Minimalausstieg. Vielen Menschen aus dem Widerstand gegen die Nutzung der Kerntechnik reicht das nicht, und so blockierten einige von ihnen heute morgen zwischen 6.15 Uhr und 7.30 Uhr den Schichtwechsel im AKW Biblis.
Der Termin war insofern gut gewählt, als das Kraftwerk im Augenblick eine Revision durchführt, das heißt, die Brennstäbe der Reaktoren werden ausgetauscht. Bei der Gelegenheit wird dann auch mal gründlich geputzt und nachgesehen, wo es überall Löcher im Leitungssystem gibt. Dafür sind viele Leute notwendig: Rund 1500 Menschen wollten an diesem Morgen gern ins Kraftwerk, stießen aber nur auf eine Barrikade aus Strohballen und knapp 70 AktivistInnen dahinter. Die Reaktionen waren heftig: Verbale Ausfälle vom Angebot, die "Arschgeigen" doch in den Maschinenraum zu stecken bis zum Wunsch, drei Hitler möchten sich doch der DemonstrantInnen widmen, Schneebälle, Versuche, an den Strohballen zu zerren und dergleichen mehr. Als Krönung griffen die sozusagen ausgesperrten Arbeiter einen Kollegen an, der mit dem Rad kam und deshalb für einen Umweltschützer gehalten wurde.
Die anwesenden acht Polizeibeamten verhinderten Schlimmeres, und auch ein eilends herangeeilter Mensch der Kraftwerksleitung vermochte die aufbrausenden Gefühle ein wenig zu dämpfen -- denn von oben war Deeskalation verordnet, zumindest, bis die Straße bei Anbruck der Morgendämmerung freigegeben wurde.
Gemeinerweise ließ die Polizei die KernkraftgegnerInnen zwar abziehen, lauerte ihnen dann aber am Rückweg auf, ein eigentlich ziemlich ungewöhnliches Verhalten. Während ein vorausgeschickter Spähtrupp nach einer aufregenden Jagd durch die verschneiten Felder wenigstens zur Hälfte entkommen konnte, musste sich der Rest der AktionsteilnehmerInnen eine Personalienkontrolle gefallen lassen.
Auch unter einer rot-grünen Regierung wird das letzte AKW gewiss nicht vor 2020 abgeschaltet. Die Aktion heute morgen zeigte, dass sich damit nicht alle abfinden wollen.