Seit das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma am 16. März letzten Jahres in der Bremeneckgasse 2 eröffnet wurde (wir haben im UNiMUT 135 berichtet), fanden dort immer wieder Veranstaltungen statt, die sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen auseinandersetzten. Die ganz aktuellen Folgen waren heute Thema: Wolfram Wette vom historischen Seminar der Uni Freiburg, ehemals Mitarbeiter des Amts für Militärgeschichte der Bundeswehr, referierte über Rechtsradikalismus in der Bundeswehr.
Wolfram Wette |
Dass Wette sich von seinem ehemaligen Brötchengeber deutlich emanzipiert hatte, wurde schon bei seinen einleitenden Worten deutlich, in denen er von einer Konferenz in Jerusalem berichtete und nicht ohne Sympathie Moshe Zimmermann zitierte, der die These aufstellte, Armeen an sich seien nie Spiegelbild der sie umgebenden Gesellschaft, sondern immer rechts von ihr, und dies sei in Deutschland schon traditionell ausgeprägter als anderswo. Wolle mensch rechten Tendenzen in der Armee als anderswo. Wolle mensch rechten Tendenzen in der Armee entgegentreten, so Zimmermann, müsse mensch letztere auflösen.
Auch wenn sich Wette dem nicht ganz anschließen konnte, bewies er auch im restlichen Referat viel Zivilcourage -- das angesichts seiner Verangenheit vielleicht angebrachtere Wort "Militärcourage" bezeichnete er als "Missgeburt". Unter Hinweis auf 184 dokumentierte Fälle rechtsextremistischer Exzesse in 140 Standorten der Bundeswehr allein im Jahr 1996 führte er aus, das Einzelfallgerede Rühes sei gefährlich und irreführend, zudem es einer weiteren "Wucherung" rechter Ideologie in der Bundeswehr Vorschub leiste. Schon 1992 habe eine Bundeswehrstudie auf entsprechende Gefahren aufmerksam gemacht, und vieles hätte vermieden werden können, wenn schon damals nicht alle Augen zugedrückt worden wären.
Doch die Armee, die von rechts nach ganz rechts wanderte, wurde in diesem Kurs noch bestärkt -- die Out-of-Area-Einsätze etwa führten nach Wette nicht nur zu einem Ausscheiden einer immer noch unbekannten Zahl von Offizieren, die ein "kritisches Potential" innerhalb der Armee gebildet hätten, sondern auch zum Herausbilden von Machtphantasien, die sich dann in Vorfällen wie den Videos von Hammelburg ein Ventil suchten.
Noch mehr Sorge als die dokumentierten "Einzelfälle" jedoch macht Wette das "nickende Umfeld". So konnte ein Herr Seidler an der Bundeswehruni München 20 Jahre lang extrem revisionistisches Gedankengut in die Köpfe der Offiziersstudis blasen, ohne dass irgendwer reagiert hätte. Viel liege auch am "Corpsgeist" der Offiziere, der verbiete, dass auch nur irgendwas an die Öffentlichkeit dringt, was den Ruf "der Truppe" schädigen könnte. Ein bisschen von diesem Corpsgeist war dann auch in der Diskussion zu spüren, als ein ehemaliger "Kamerad" Wettes, heute aktives Mitglied der Heidelberger CDU, ihn wegen seiner kritischen Aussagen heftig anfeindete. Wette nahm dies gelassen hin.
Ebenfalls sehr belastend für die Bundeswehr sei ihr Verhältnis zur Wehrmacht, dem "stählernen Garanten des NS-Systems" (Wette). Bei allen Beteuerungen Rühes und seiner Vorgänger, es gebe eine scharfe Grenze zwischen Wehrmacht und Bundeswehr, sei innerhalb der Armee Heldenverehrung in "Traditionsräumen" angesagt. Dies allerdings ist kein neues Phänomen: Das "Jagdfliegeras" Rudel, strammer Nazi auch nach dem Krieg, wurde schon Mitte der siebziger Jahre in einem Luftwaffenstützpunkt bei Freiburg gefeiert. Nur, dass damals zwei Generäle und ein Staatssektretär ihre Hüte nehmen mussten.
Nach dem Vortrag des "Aussteigers" möchte mensch sich seiner Forderung durchaus anschließen, weniger die "Einzelfälle" zu betrachten als eher den "Geist der Bundeswehr" zu untersuchen, die nun mal "Schule der Gewalt" sei und bleibe. Den Schluss überlässt der Redakteur Wette folgend dem/der geneigteN LeserIn.