Wie die Stuttgarter Zeitung berichtet, kommt von der Grünen Hochschulgruppe in Tübingen ein brillianter Vorschlag für "verzögerte Studiengebühren". Die Idee ist im wesentlichen, einem Studi für jedes Semester 1000 Mark Schulden aufzubrummen, die er später "sozialverträglich" zurückzahlt, so dass etwa ein Mensch, der 1600 Mark im Monat brutto verdient, nur einen runden Tausi von seinen Schulden zurückzahlen würde, wer entsprechend reicher ist, zahlt dann auch mehr. Dass die GHG in Tübingen das alles nur mag, wenn es mit einer "Strukturreform" der Unis verbunden ist, ist ja eh klar.
Aber es macht die Sache nicht besser. Diese Ideen klingen vielleicht viel netter als die Gebührenpläne Marke Trotha und sind vielleicht auch wirklich sozial ausgewogener. Einen großen Unterschied gibt es aber nicht. Auch die Grünen scheinen mittlerweile zur Überzeugung gelangt zu sein, dass Entsolidarisierung genau der Weg ist, dass sich Leistung halt wieder lohnen muss und also die Armen ärmer und die Reichen reicher werden müssen. Klar, da muss mensch den Reichen die Möglichkeit geben, sich aus der solidarischen Finanzierung der Hochschulen zurückzuziehen -- steuerfinanzierte Hochschulen werden das nicht leisten, weil dort die Finanzierung aus einen Anteil vom Einkommen bestritten wird. Der Weg ist, das hat die GHG gemerkt, die private Finanzierung über Gebühren. Wirtschaftliche (und das ist nie soziale) Gerechtigkeit bedeutet eben, dass jedeR 10000 Mark im Semester zahlt, das Einzelkind aus der Familie mit 200000 Mark Jahreseinkommen ebenso wie der arme Mensch, der sich sein Studium aus 20000 Mark Jahreseinkommen finanzieren möchte. Gerecht, denn jedeR zahlt das gleiche.
Abgesehen von dem für sich reichlich unsozialen Vorhaben, von der Steuer- und Individualfinanzierung überzugehen, ist an der Geschichte niederschmetternd, dass sich das Gerede vom Sachzwang Sparen mittlerweile so fest im Grünen Bewusstsein festgesetzt hat, dass die Leute nicht mal mehr sehen, dass auch in den großen Standortbedrohern Korea und Japan mit den selben Argumenten Sozialabbau betrieben wird (nur, dass in Korea sowas gleich mal einen größeren Streik auslöst). Es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis die Grünen aus Angst um Standort und Zukunft ganz vergessen, dass sie mal mit der Perspektive angetreten waren, die wirklichen Gefahren für unsere Zukunft zum Thema der Politik zu machen.
Später am Tag: Mittlerweile kam, zum Trost des Redakteurs, aus Stuttgart eine Presseerklärung des hochschulpolitischen Sprechers der Grünen, Dieter Salomon, die die oben gegebene Einschätzung der GHG-Pläne mit den zwei dürren Worten "völlig daneben" zusammenfasst. Leider gehts in der Presseerklärung nicht ganz so deutlich weiter: "Sicher kann man losgelöst von der gegenwärtigen Situation [er meint Trotha] über alles Mögliche diskutieren..." Was das wohl wieder heißt?
Dieser Artikel wurde zitiert am: 12.11.2003