Eine besonders pikante Episode in diesem Trauerspiel stellt der Fall Schneider/Schwerte dar. Herr Schneider war SS-Hauptsturmführer und eine Größe im Wissenschaftsbetrieb der Nazis, konnte sich aber nach dem Ende der Nazi-Herrschaft nicht dazu durchringen, ins Exil zu gehen. Stattdessen erfand er einfach eine neue Identität, nannte sich Hans Schwerte, heiratete seine Frau nochmal, promovierte in aller Seelenruhe an der Uni Erlangen -- gedeckt von Proteges, die seine wahre Identität durchaus kannten.
In der Nachkriegs-BRD begann Schwerte eine steile Karriere, die ihn schließlich an die Spitze der RWTH Aachen brachte. Erst 1995 wurde er enttarnt, womit der eigentliche Skandal erst anfing. Die Uni Erlangen weigerte sich, Schwerte seinen Doktortitel abzuerkennen, nach und nach wurde deutlich, daß quer durch alle Fakultäten reaktionäre Seilschaften ihre "Netzwerke" gesponnen hatten.
Dies und viel mehr ist nachzulesen in einem Buch von Darius Dunker, Alex Lünskens, Thomas Müller und Tina Terschmitten, überschrieben "Schweigepflicht", wohl in Anspielung auf die Versuche der RWTH Aachen, die Enttarnung ihres hochdekorierten Ordinarius durch allerlei böse Spielchen bis hin zu Exmatrikulationsdrohungen zu verhindern. Die Lektüre lohnt sich nicht nur für beinharte AntifaschistInnen, auch der/die AlltagswissenschaftlerIn mag aus dem Buch Stoff für endlose Alpträume ziehen.
Autorenkollektiv für Nestbeschmutzung: "Schweigepflicht. Eine
Reportage."
240 Seiten broschiert kosten 24.80 DM. ISBN 3-928300-47-4
Unrast-Verlag, Postfach 8020, 48043 Münster, Tel 0251/666293