Scheidendes Rektorat hat für Lehramt und Bildung nichts übrig
Wie ernst es die Universität mit der Verbesserung der Lehre meint, ob sie auf qualitativ gute Lehre und eine daraus resultierende hochwertige Ausbildung wissenschaftlichen Nachwuchses aus ist, oder ob ihr "Verbesserung der Lehre" nur dann einmal Argument ist, wenn sich damit Probleme verschieben und Verantwortung abschieben lässt, zeigt sich vielleicht nirgends besser als in der Lehramtsausbildung. Mit dem jüngst verhängten Sperrvermerk für die Professur für Schulpädagogik verschärft das scheidende Rektorat die Krise am Institut für Bildungswissenschaft (IBW), lässt die Lehramtsstudierenden im Regen stehen und die Zukunft der Lehamtsausbildung ungewiss erscheinen.
Mit dem Sperrvermerk stellt das Rektorat faktisch die Notwendigkeit pädagogischer Anteile im Lehramtsstudium in Frage. Stellen wir daher ebendiese Frage an den Anfang, spitzen sie noch zu und setzen uns damit auseinander: Wozu die Lehramtsausbildung und wozu die Erziehungswissenschaft?
1. Vom Standpunkt der Universität aus lässt sich darauf zunächst schlicht und einfach antworten: Die Universität muss schon deshalb ein Interesse an einer guten LehrerInnenbildung haben, weil die Studierenden von morgen von eben jenen Lehrerinnen und Lehrern unterrichtet werden, die sie heute ausbildet. Will sie also, dass die Erstsemester mit einer soliden Wissensbasis von der Schule an die Universität kommen, so muss sie auf Verschiedenes bedacht sein. Zum einen muss sie ihren Studierenden sowohl Fachwissen, wie aber auch die nötigen Kompetenzen zum wissenschaftlichen Arbeiten und zur gemeinsamen Aneignung von Wissen vermitteln. Zweitens muss sie darauf bedacht sein, dass die künftigen Lehrerinnen und Lehrer dieses Wissen auch vermitteln und diese Kompetenzen auch fördern können. Drittens sollte die Hochschule was die künftige Berufsrolle ihrer Studierenden anbelangt nicht auf Diletantismus, sondern auf Profession ausgerichtet sein. Dimensionen der Wissensvermittlung und des Lernens etwa dürfen nicht etwa als reine Technik betrachtet oder gar dem Zufall überlassen, sondern müssen auf eine wissenschaftliche Basis gestellt werden. Auch bedarf es solider Voraussetzungen, um in einer konkreten Unterrichtssituation als Lehrerkraft angemessen reagieren können. Allein um das Einschleifen von Routine kann es dabei wohl kaum gehen. Für all dies und vieles mehr brauchen wir im Rahmen einer fundierten Lehramtsausbildung die pädagogischen Anteile - Fachdidaktik und Erziehungswissenschaft (bzw. "Pädagogische Studien" um die Bezeichnung der Prüfungsordnung zu verwenden).
2. Auch die Gesellschaft sollte ein Interesse an der Erziehungswissenschaft haben. Als an der gesellschaftlichen Reproduktion und Entwicklung beteiligte Institution ist die Universität dazu angehalten, sich mit gesellschaftlichen Problemen zu befassen und auf diese zu antworten. Umso absurder muss es deshalb erscheinen, wenn eben jener Lehrstuhl mit einem Sperrvermerk versehen wird, dessen momentaner Stelleninhaber ein ausgewiesener Fachmann im Bereich friedensbildender Maßnahmen und der Curriculumentwicklung ist und die Sperre durchaus auch die Deutung zulässt, dass diese Inhalte als irrelevant angesehen werden. Zum Vergleich: In Philosophie wurde neulich für eine durch einen Todesfall überraschend frei gewordene Professur per Eilentscheid des Rektorats die Wiederbesetzung beschleunigt, von einer Sperre war hier nie die Rede.
3. Schließlich lässt sich von einem dritten Standpunkt aus antworten: von dem der Studierenden. Da es um genau ihre Situation geht, sollten sie das größte Interesse haben. Dass jedoch genau sie mehrheitlich einmal wieder nicht wahrgenommen werden, hat verschiedene Gründe. Was die Studierenden selbst betrifft, so scheinen viele davon in der vorliegenden Situation zunächst zu resignieren. Einerseits weil sich an der vorliegenden Situation scheinbar nichts ändern lässt, zweitens weil - von der Universität im Stich gelassen - der krasse Bruch zwischen Theorie und Praxis ihnen als ein für die Hochschule symptomatischer vorkommt. Noch schlimmer ist, dass in einzelnen Lehramtsfächern vermittelt wird, dass in Pädagogik "eh nur gelabert" wird, für die Schule entscheidend aber das Fachstudium sei. Diese Position ist oft auch nur ein Reflex darauf, dass die meisten Hochschul"lehrerInnen" selbst keine pädagogisch-didaktische Ausbildung haben, die darin begründete Kritik an schlechter Hochschullehre ist bekannt... Eine Situation, in der es sich aber so lange prima aushalten lässt, wie die vorhandene Praxis die Theorie noch nicht einholt. Die Hochschule gleichsam als Pulverfass, auf dem es sich ausruhen lässt, so lange noch keine Funken schlagen. Dass es der Universität meist an zündenden Ideen mangelt, wird hierbei gleich billigend in Kauf genommen.
Das mit dem erziehungswissenschaftlichen Anteil der Pädagogischen Studien (es gibt noch psychologische Anteile) betraute IBW kam nicht erst mit dem Sperrvermerk in Schieflage. Vom Rektorat wurde es über die letzten Jahre hinweg unsystematisch ausgehungert. Die extreme Unterfinanzierung des Instituts führt dazu, dass es gerade seine personelle Mindestaustattung unterschreitet und die drei zu bewältigenden Studiengänge (Magisterstudiengang Erziehungswissenschaft, Lehramtsbegleitstudium und der im Wintersemester startende Bachelor Erziehungswissenschaft) nicht mehr abdecken kann. So stehen für die Betreuung von insgesamt 3715 Lehramtsstudierenden (Stand Sommersemester 2007) momentan schon nur zwei Professuren zur Verfügung, die zeitgleich zusätzlich den Magisterstudiengang Erziehungswissenschaft versorgen. Diese beiden Professuren reichen nicht aus, um den Bedarf in der Lehre angemessen zu decken: bis zu 170 Studierende in einem Seminar sind Dauerzustand, zum Vergleich: andere Fächer lassen nur 20 Studierende pro Veranstaltung zu. Nach dem kommenden Semester nun wird die eine dieser beiden Professuren vakant - und die Situation verschärft sich, denn das Rektorat sieht keine Notwendigkeit die Stelle für eine Vertretung frei zu geben. Das bedeutet, dass das Lehrangebot dieser Stelle einfach wegfällt. (Das Geld für die Stelle fließt übrigens in der Zeit ans Rektorat...)
2004 beschlossen der Fakultätsrat der Fakultät für Verhaltens- und Empirische Kulturwissenschaften und der Senat eine Umstrukturierung des IBW, zudem werden im Zuge des Bologna-Prozesses derzeit alle Magisterstudiengänge eingestellt und weitgehend durch BA-Studiengänge ersetzt. Im Rahmen der Umstrukturierung wird sich das IBW künftig auf das Lehramtsbegleitstudium und im BA-Bereich auf die Bereiche Schulpädagogik und Weiterbildung/Beratung beschränkt. Diese Profilierung wirkt sich fatal aus: erstens auf den auslaufenden Magisterstudiengang Erziehungswissenschaft (wo weder genügend Lehre noch genügend PrüferInnen zur Verfügung stehen), zweitens auf die Bandbreite von Forschung und Lehre des Faches, drittens auf die Abdeckung der Lehre allgemein: so leistet die Professur im Bereich Weiterbildung auf Grund ihrer Einbindung im nicht-konsekutiven Masterstudiengang, dessen Lehrveranstaltungen allein den Studierenden dieses Studiengangs zugänglich sind (sic!), nur ein reduziertes Lehrangebot. Wie sich die Bandbreite des Faches nach und nach reduziert, zeigt sich auch im Bereich Sozialpädagogik: Die hier angesiedelte Professur wurde umgewidmet in eine weitere Professur für Weiterbildung, die allerdings noch nicht zur Neuausschreibung freigegeben ist. Über Studiengebühren wird ein entsprechendes Lehrangebot in diesem Schwerpunkt aufrecht erhalten, bis im Sommersemester 2009 der Prüfungsanspruch ausläuft.
Gute, oder sogar exzellente Forschung, so das immer wieder vorgetragene Credo der Unispitze, münde automatisch in gute Lehre; fördere man die Forschung, so fördere man auch die Lehre. Keine Forschung, so müsste der Umkehrschluss lauten, führt dann zu keiner Lehre. Dass am IBW Forschung im Bereich Schulpädagogik de facto nicht statfindet, scheint aber niemanden zu bekümmern - in der Archäologie ist es völlig normal, dass die Lehrenden und Studierenden zwischendrin mal Buddeln gehen - im Lehramtsstudium wundert sich aber niemand, wenn die Lehrenden seit Jahren keine Schule von innen gesehen haben, nicht nur, wenn sie Biologie oder Anglistik lehren, selbst in der Schulpädagogik scheint dies niemanden zu beunruhigen. Die Studierenden absolvieren seit 2001 zwischendrin mal ein sogenanntes Schulpraxissemester, eine Abstimmung mit dem restlichen Studium war von Anfang an nicht geplant und wäre auch bei der momentanen Ausstattung nicht leistbar.
Die Ausgangslage für die Lehramtsausbildung an der Universität ist also denkbar schlecht. Um zumindest ein vorgeschobenes Argument dafür zu haben, dass man dagegen etwas unternehme, wurde Baden-Württemberg-weit an den Universitäten Zentren für Lehrerbildung eingerichtet, so auch eines für Heidelberg und Mannheim . (Die Stelle kam übrigens vom Land und hat die Uni sozusagen nichts gekostet.) Wer sich ein Bild über die Unterstützung dieser Idee durch die Universität machen möchte, sollte sich mal dafür interessieren, wieviele Professoren (vor allem aus der Altstadt) zu den vom ZLB durchgeführten Sitzungen des neu eingerichteten AKs Lehrerbildung kamen; dass auch das Rektorat leider auch nicht immer teilnehmen konnte, wollen wir hier lieber verschweigen. De facto aber hängt die Koordinierung und Weiterentwicklung des LA-Studiums in Heidelberg an einer Person, die kaum jemand unterstützt. Warum auch mehr Personen in einem ans Rektorat angegliederten Zentrum anstellen, "Lehrerbildungszentrum? C´est moi!" dürfte den Herrschaftsvorstellungen von Rektor Hommelhoff in jeder Weise entsprechen. Bedauerlich nur, wenn man ein Zentrum erst einrichtet und es dann ohne Unterstützung isoliert im Regen stehen lässt - oder ist das die zentrale Idee des ganzen?
Für das 2001 eingeführte Ethisch-Philosophische Grundlagenstudium (EPG) wurden 2001 landesweit immerhin ein paar Stellen, 1,5 davon an der Uni Heidelberg, eingerichtet, obwohl der Großteil des Lehrangebots in diesem Bereich aus regulären Veranstaltungen besteht, die ohnehin angeboten werden. Das EPG war allerdings ein Herzensanliegen der damaligen Bildungsministerin Schavan. Dass auch das EPG bei den meisten Studierenden eher als notwendiger Laberschein gilt, ist ein offenes Geheimnis und sehr bedauerlich. Bis heute unterstützt keine Kommission die Koordinationsstelle inhaltlich bei ihrer Arbeit und ob die Stellen in Dauerstellen umgewandelt werden, ist völlig offen. Viele Fächer interessieren sich für EPG nur, weil es fürs EPG zusätzliches Geld gibt und dass von einer Evaluation des EPG bisher abgesehen wurde, lässt manche Deutung zu.
Bis zum Wintersemester 2008/09 sollen die Universitäten nach dem Willen der beteiligten Ministerien die Lehramtsstudiengänge auf BA/MA-Studiengänge umstellen. Wie in den Vorstellungen von HochschulrektorInnen Qualität in der Lehre allgemein und wie in der Lehramtsausbildung im Speziellen entsteht, lässt sich in jüngst von der Landesrektorenkonferenz (LRK) verschickten Schreiben feststellen, in denen diese die Zusammenarbeit mit dem MWK bei dieser Umstellung aufkündigt. Entscheidender Grundpfeiler zur Qualitätssicherung bei der Umstellung auf die neuen Studiengänge sei - so die LRK - die angebliche Qualitätssicherung durch Auslese. Was beim Nicht-Lehramtsbachelor gegeben ist, nämlich dass nur etwa 30% der Studierenden zum Master zugelassen werden, soll beim Lehramt nicht gelten (und dies ist in Anbetracht der Frage, was jemand mit einem Lehramtsbachelor auf dem Arbeitsmarkt machen soll, auch kein Wunder).
Als bizarre Lachnummer kommt das jüngste Schreiben mindestens in zweierlei Hinsicht daher: erstens durch die Vorstellung der Hochschulrektoren, dass Qualität nicht etwa durch gute Lehre, sondern durch Ausleseprozesse zustande käme - eine Argumentationsfigur, deren Hintergrund politischer und weniger sachlicher Natur ist. Das Problem, dass es zuviel schlechte Lehre gibt, wird damit auf Studierendenseite abgewälzt. Zweitens wirkt auch die Drohung der LRK, dass die Fächerkommissionen ihre Arbeit einstellen, allzu lachhaft: in den allermeisten Fächern in Heidelberg haben die entsprechenden Fächer ja ebendiese Arbeit noch nicht einmal aufgenommen; ja, in einigen Fächern hieß es von Anfang an, dass man nichts anderes machen müsse, als die bisherigen Magisterveranstaltungen umzubenennen und Fachveranstaltungen als Fachdidaktik zu tarnen, dann sei das Kultusministerium zufrieden gestellt. Was hier als scheinbare Drohung aufgefahren wird, kommt vor Ort einer nicht gemachten Hausaufgabe weit näher. Worum es eigentlich geht, ist leider nicht klar, vermutlich haben die Unis nur Angst, dass in ihren Augen unfähige Leute von Anfang an ein Lehramtsstudium aufnehmen, um so an einen "billigen" Master-Abschluss zu kommen, da sie nach dem BA nicht aussortiert werden können. Wie auch immer man sich einigen wird - man wird sich einigen, dessen können wir sicher sein - wenn die Diskussion weiter so läuft, wird dabei nicht Qualität das entscheidende Kriterium sein.