„Elite-Unis in Deutschland? Spitzenbildung oder Etikettenschwindel?“
"Elite-Unis in Deutschland? Spitzenbildung oder Etikettenschwindel?" - Das war das Motto des vom Spiegel organisierten Diskussionsforums am Montag, dem 6.11.06. Austragungsort war die Alte Aula in der Heidelberger Altstadt und gut besucht ging die Debatte um 19 Uhr los.
Herr Dr. Martin Doerry, Stellvertretender Chefredakteur DER SPIEGEL, übernahm die Rolle des Moderators und saß gleich zur Linken von Prof. Dr. Dres. h. c. Peter Hommelhof, Rektor der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Zu dessen Rechten war Herr Dr. Wolfgang Gawrisch vertreten, Mitglied der Gemeinsamen Kommission Exzellenzinitiative sowie des Bewilligungsausschusses. Vom Publikum aus ganz links plaziert war Herr Reinhard Lask, Student der Politologie und bei der Heidelberger Studentenzeitung "Ruprecht" aktiv. Am anderen Ende des Tisches saß die einzige Frau in der Runde, Dorothea Kaufmann, die kürzlichen ihren Bachelor of Arts im Fach Molekulare Biotechnologie an der Universität Heidelberg erlangt hat. Zwischen ihr und dem Moderator war zu guter Letzt Herr Prof. Dr. Michael Hartmann vom Institut für Soziologie der Technischen Universität Darmstadt vertreten.
Ob die einzelnen Diskussionsteilnehmer auf die Leitfrage des Abends geantwortet haben, blieb dem Interpretationsspielraum des Zuhörers überlassen.
Herr Hommelhof hob die "auf Dauer angelegte Umstrukturierung" der Hochschlulandschaft hervor, die politisch gewollt sei. Es werde eine Aufteilung in reine Ausbildungsuniverstiäten einerseits und Forschungsuniversitäten andrerseits vorangetrieben. Er sehe allerdings die Notwendigkeit neben Forschung ebenfalls gute Lehre zu gewährleisten, da diese Forschung erst ermögliche. In diesem Sinne bedauerte er, dass das Kriterium der Lehrausbildung nicht im Rahmen der ersten Runde des Exzellenzwettbewerbs beachtet worden war. Herr Hommelhof gab durchaus zu, dass die derzeit betriebene Umstrukturierung die Geisteswissenschaften benachteilige und rief ausdrücklich die Geistes- und Sozialwissenschaftler dazu auf, sich am politischen Diskurs zu beteiligen. Darüber hinaus unterstrich er, dass die Universitäten vor allem Geld bräuchten und er lieber im Rahmen des Exzellenzwettbewerbs sich darum bemühte "einen Spatzen in der Hand zu halten als einer Taube auf dem Dach" nachzujagen.
Warum die Heidelberger Universität trotz Konzeptähnlichkeiten mit der Münchner Universität den Exzellenztitel nicht bekommen hat, konnte er an diesem Abend nicht begründen und versprach eine Begründung noch zu liefern. Er bekräftigte seinen Wunsch eine Volluniversität in Heidelberg zu erhalten und empfahl den Studierenden ihre Beteiligungsmöglichkeiten in der Studienkommission und in direkten Gesprächen mit Frau Leopold, der Heidelberger Prorektorin, und ihm zu suchen. Seiner Ansicht nach reichten diese Maßnahmen, um für existierende Probleme Lösungen zu finden. Materielle Probleme würden mit der Einführung der Studiengebühren weitestgehend behoben werden können.
Herr Hartmann belegte die Umstrukturierungsmaßnahmen mit Zahlen, welche die "Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und Anspruch" sehr deutlich vor Augen führt: Der Zunahme der Studierendenzahlen um über 30% von heute knapp 2 auf 2,7 Mio im Jahr 2020 würden die Bundesregierung und die Länderregierungen mit jeweils 1 Mrd. Euro zusätzlich pro Jahr begegnen wollen. Allerdings liege der vom Wissenschaftsrat errechnete Bedarf allein in den Jahren 2012 bis 2014 bei jährlich 2,2 Mrd. Euro. Gleichzeitig stecke der Bund 1,9 Mrd. Euro allein in den nächsten fünf Jahren in nur vier Hochschulen mit Eliteuniversitätstitel. Dass es sich bei diesen und denen, die für ihre Exzellenzcluster prämiert wurden, vor allem um Universitäten in Baden-Württemberg und Bayern handelt, sowie um technisch ausgerichtete Universitäten ist für Herrn Hartmann kein Zufall. So profitierten die süddeutschen Länder von einem Abiturientenexport und einem Akademikerimport. Darüber hinaus hätte die Deutsche Forschungsgesellschaft, die sich vor allem aus Naturwissenschaftlergruppen zusammensetze, die Geisteswissenschaften "runterfallen lassen" wollen. Dafür spricht auch, dass nur eins von 17 prämierten Clustern geisteswissenschaftlicher Natur ist. Es müsse offen darüber geredet werden, was politisch gewollt sei und bewilligt werde. Die derzeitige Entwicklung fördere naturwissenschaftliche Universitäten, insbesondere jene mit medizinischen Schwerpunkten. Nicht nur die Geisteswissenschaften, auch die Juristen hätten auf Dauer das Nachsehen. Dafür wäre u.a. die Universität Göttingen ein Beispiel.
Herr Hartmann sieht eine Aufspaltung der Universitätslandschaft auf uns zukommen, welche die Universitäten unterscheide nach Forschungsuniversitäten mit Elitetitel, solchen mit Exzellenclustern, Forschungsuniversitäten ohne finanzielle Mittel und schließlich die Ausbildungshochschulen. Die breite Masse werde auf Dauer verlieren. Ungeachtet dieser Ungereimtheiten und ungeachtet der Tatsche, dass Anträge mangels nötiger Ressourcen bei dem Wettbewerb zurückgezogen wurden, hätten die Mitglieder der Entscheidungskommissionen wissenschaftspolitische Entscheidungen getroffen, als ob jeder gewinnen könne. Das Siegel "Exzellenzuni" zementiere nur das Prinzip des Wettbewerbs, das offensichtlich lauten würde: Wer hat, dem wird gegeben.
Herr Gawrisch lobte den Paradigmenwechsel, der schon stattgefunden habe und sich durch den Exzellenzwettbewerb zeige. Aufgrund des Globalisierungsdruckes sei es notwendig, gute Leute an die Spitze zu bringen. Um nicht den Anschluss auf dem Weltmarkt zu verlieren, müssten die Bedingungen geschaffen werden, die nötig seien, um wirtschaftlich relevante Patentanmeldungen zu ermöglichen. Derzeit seien die Chinesen auf diesem Gebiet in beängstigender Weise federführend. Mit dem Auswahlverfahren war Herr Gawrisch uneingeschränkt zufrieden und behauptete, dass die Lehre durchaus berücksichtigt worden wäre. Die Prämierung habe außerdem 22 Universitäten zu Eliteuniversitäten erhoben und nicht nur drei. Sozialwissenschaftler, die das Ergebnis kritisierten, könne man durchaus erhören. Alle Universitäten sollten sich angesprochen fühlen, bei der nächsten Runde ihre Anträge einzureichen. Das sei bei der eben abgeschlossenen leider nicht der Fall gewesen. Es werde nur beurteilt, was schriftlich vorliege. Dies ist u.a. ein Kriterium, weshalb Herr Garwisch das gesamte Auswahlverfahren als insgesamt sehr objektiv bewertete.
Frau Kaufmann betrachtete sich selber als Repräsentantin der zur Diskussion stehenden Elite. Sie lobte die elitären Ausbildungsbedingungen, die ihr in ihrem Studium begegnet waren und kritisierte den im Vergleich zu asiatischen Studierenden bestehenden Mangel an Leistungsbereitschaft hiesiger Kommilitonen. Letztere seien nur allzu selten bereit, regelmäßig bis zu 12 Stunden im Labor zu stehen und Forschungsarbeit nachzugehen. Eine weitere Förderung von Eliteuniversitäten befürwortete sie ausdrücklich, damit mit dem "besseren Ausgangsmatieral" die selbstverständlich besseren Ergebnisse gesellschaftfördernd zum Zuge kommen könnten.
Herr Lask wies stattdessen auf die prekären Studienbedingungen in der Politologie hin und verglich die ganze Exzellenzinitiative mit einer Hauptstraße, die auf Kosten der Nebenstrassen unter Flutlicht gestellt würde. Seiner Meinung nach wäre es Zeit gegen die bestehenden Zustände zu demonstrieren, was Herr Hommelhof seinerseits bestritt.