Schreckliche Kurse, schreckliche Gesetze, schreckliche Gremien -- und ein guter Kongress
...dass das neue LHG interessante Vorgänger hat? In einer Geschichte der Psychologie in Heidelberg ist folgendes Zitat zu lesen: "Unterdessen war in Baden eine neue Universitätsverfassung erlassen worden. Der Rektor sollte nun 'Führer' der Universität sein. Er wurde nicht mehr gewählt, sondern vom Minister ernannt. Ihm wurden alle Befugnisse des seitherigen Senats übertragen. Zu seinem Vertreter konnte er aus dem gesamten Lehrkörper einen Kanzler ernennen. Den ebenfalls von ihm ernannten Dekanen stand in allen Fakultätsangelegenheiten das alleinige Entscheidungsrecht zu, wobei die Fakultätsmitglieder zur Beratung herangezogen werden konnten" -- für KennerInnen des neuen LHG vertrautes Material. Es bezieht sich aber nicht auf das 2004er LHG aus dem Hause Frankenberg, sondern auf die Badische Hochschulverfassung vom 21.8.1933. Go figure.
...dass die Zukunft beim ZSW längst begonnen hat? Schon seit einiger Zeit bietet das Zentrum für Studienberatung und Weiterbildung nämlich allerlei Kurse auf Business School-Niveau gegen Gebühr an. Jetzt nimmt es den nächsten Schritt: Ein Kurs mit dem selten dämlichen Namen Qualify! -- for business zum Einführungs-Schleuderpreis von 300 Euro (weils im Sommersemester noch ein Pilotprojekt ist). Die Inhalte sind entsprechend furchtbar ("BWL", "Organsiationsentwicklung", "Finanzdienstleistungen", "Projektmanagement"), enthalten ist weiter unbezahlte Arbeit bei gut verdienenden Firmen ("Praktikum"). Um sich diese Zumutung gefallen zu lassen, muss mensch sich auch noch "bewerben". Dass dabei "EDV Basics" in Kenntnis der Dummprogramme aus Microsofts Giftküche übersetzt wird, passt glänzend ins Bild. Wer noch weitere Argumente gegen Studiengebühren sucht: Bei Qualify! -- for business findet ihr sie zuhauf.
...dass es auch in diesem Jahr wieder den Kongress Frauen in Naturwissenschaft und Technik, kurz FiNuT, gibt? 2005 findet er in Bremen statt, als Schwerpunkte sind Internationalisierung und Frauenräume vorgesehen. Da die Veranstaltung -- deren Name ja schon Programm ist -- (a) eine Initiative "betroffener" (das ist nicht immer lustig) Frauen ist, die nur begrenzt Zeit haben, (b) mit wenig Geld organisiert wird, so dass Massenmailings von Hochglanzkram nicht drin sind und (c) nichts mit Menschenfresserei zu tun hat, was das Interesse offizieller Unistellen doch erheblich dämpft, bitten die Veranstalterinnen darum, das Infofluggi lokal zu verbreiten (was wir hiermit tun -- aber ihr könnt ja immer noch ein paar Exemplare drucken und an geeigneten Plätzen auslegen).
...dass das MWK ein neues Klüngelgremium eingerichtet hat? Sein Name ist "Beraterkreis Hochschulentwicklung 2020" (wir lügen nicht), ist mit den üblichen Frühstücksdirektoren und Wissenschaftsfunktionären zwischen Fraunhofer-Gesellschaft und Daimler-Chrysler besetzt, tafelt mit dem Minister persönlich und hat nach Auskunft des Ministers "keinen abschließend festgelegten Auftrag". Lesenswert sind die verlinkten Ausführungen Frankenbergs zu der Anfrage der letzten in Bildungsfragen aufrechten SPDlerInnen auch an anderen Stellen, nicht zuletzt, wenn er ganz in der Tradition des Amtschimmels Kabinettsbeschluss und Einladung zum sowie Protokoll des Beraterkreis(es) zum Staatsgeheimnis erklärt, das den Landtag nichts angeht. This is what democracy looks like.
...was 2012 passieren wird? Wenn ihr zurückrechnet, werdet ihr finden, dass der Abiturjahrgang 2012 normalerweise im Jahr 2004 auf Gymnasien übergetreten sein sollte -- er ist das erste Opfer des achtjährigen Gymnasiums ("G8"). 2012 werden aber auch die meisten derer, die 2003 mit ihrer höheren Bildung anfingen, Abitur machen (sie haben noch ein neunjähriges Gymnasium). Dieser der gewohnt kurzsichtigen Politik der Landesregierung zu verdankende Umstand macht mittlerweile dem MWK Sorgen. Es hat deshalb nachgerechnet und kam zum Ergebnis, dass in den Jahren 2012 und 2013 je um die 70000 Studierende an seinen Hochschulen ein Studium werden aufnehmen wollen, was sich mit mageren 40000 pro Jahr Mitte der neunziger Jahre und immer noch unter 50000 derzeit vergleicht. Ratschläge, wie die Unis mit diesem neuen eigentlich unnötigen Ärgernis fertig werden sollen, gibt das Ministerium zwar nicht, doch räumt es gleich vorsorglich ein, dass es mit den 70000 noch deutlich zu niedrig liegen könnte.
Walter I. Schönlein