Hausdurchsuchungen in Heidelberg im Vorfeld des Castor-Transports
In der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober rollte ein Castor-Transport mit hochradioaktivem Atommüll von Phillippsburg zur Plutomiumschleuder und Atomwaffenschmiede La Hague in der Bretagne, begleitet von Protesten vor dem Herkunftsmeiler. Die Proteste gipfelten in drei Aufforderungen, den Reaktor stillzulegen.
In der gleichen Nacht, rund zwei Stunden vor den Protesten, wurde bei Graben-Neudorf ein ICE durch eine auf den Schienen liegende Werbetafel für ein Esslinger Softwareunternehmen leicht beschädigt. Staatsanwaltschaft und Polizei vermuten nun einen Zusammenhang zwischen den beiden Ereignissen -- was natürlich kompletter Unfug ist. Selbst wenn es nicht Prinzip des Widerstands gegen die Nukleartechnologie wäre, die Gefährdung von Menschen auszuschließen, müssten die AktivistInnen verrückt sein, wenn sie eine so klare Spur liefern würden.
Zumal im Vorfeld eines erneuten Castortransports nach Gorleben, der vermutlich am 10.11. die Region durchqueren wird, scheinen so elementare Überlegungen nicht mehr die Sache der Behörden zu sein. Und so haben heute gegen halb neun 40 Kripo-BeamtInnen simultan 7 Wohnungen in Heidelberg, Wiesloch und Karlsruhe durchsucht. Beschlagnahmt wurden dabei vor allem Computer, im Zweifel auch von MitbewohnerInnen, Mobiltelefone und dergleichen, aber auch Wanderschuhe, Fahrradschlösser und Schlüssel aller Art -- dies im Hinblick darauf, dass das nur für Transporte bestimmte Stichgleis zum Kernkraftwerk in Phillippsburg in der fraglichen Nacht mit Bügelschlössern gesichert worden war -- und ein ganzer Haufen eher bizarrer Gegenstände, etwa ein Hochzeitsvideo, Sanitätsgegenstände behinderter Mitbewohner oder ein Notizzettel, auf dem lediglich das eine Wort "Polizeigewalt" zu finden war. Einige der Betroffenen wurden anschließend zur Erkennungsdienstlichen Behandlung (Verbrecherfotos und Fingerabdrücke) mit auf die Dienststellen genommen, denn die einschlägigen Datenbanken müssen ja gefüttert werden.
Insgesamt macht die Aktion nicht nur angesichts der dürftigen Datenlage einen maßlos übertriebenen Eindruck, ganz, als sei man staatlicherseits in großer Sorge wegen des kommenden Transports. Davon zeugt auch die Androhung der Einleitung eines Verfahrens nach §129 StGB ("Bildung einer kriminellen Organisation"). Immerhin scheint die Staatsanwaltschaft gemerkt zu haben, dass die gewohnten §129a-Verfahren ("Bildung und Unterstützung einer terroristischen Organisation", auch solche gabs schon gegen Heidelberger Castor-GegnerInnen, und natürlich wurden alle eingestellt) spätestens nach der jüngsten Novellierung des Paragraphen nicht mehr so gut ankommen.
Ob dieser Einschüchterungsversuch Erfolg haben wird, wird sich vielleicht zum Transporttermin zeigen. Wenn ihr helfen wollt, einen solchen "Erfolg" zu verhindern, kommt am 3.11. (also am nächsten Montag) um 20 Uhr in den Gumbelraum im Karlstorbahnhof. Dort nämlich sollen die Aktionen zum Gorleben-Transport in der folgenden Woche besprochen werden. Immerhin, so heißt es in einer Presseerklärung des Aktionsbündnisses Castor-Widerstand Neckarwestheim: "Kriminell ist der Betrieb von Atomanlagen -- nicht der berechtigte Protest dagegen." Und das nicht nur, weil dieser Betrieb ganz offenbar einen erheblichen Repressionsapparat beschäftigen kann.