Die innere Sicherheit hat viele Gesichter: Da werden auch in Heidelberg nach einer ohnehin nur demonstrativen Hausbesetzung Speichelproben zur DNS-Analyse genommen und später mit Spuren an Plakaten verglichen; die OB verspricht 24-Stunden-Service zum Entfernen von Grafitti; am Bahnhof braucht mensch mit der falschen Hautfarbe oder Frisur nicht lange auf eine Personalienkontrolle zu warten; Kameras, von Privatunternehmen wie von der Polizei aufgestellt, erfassen immer größere Teile des öffentlichen Raums; nicht erst im Zuge der Rasterfahndung geht jede Orientierung verloren, wer welche Daten hat und was mit ihnen geschieht; der Umstand, dass gerade du diese Seite liest, mag gerade in diesem Moment einen Computer beim BKA in Wiesbaden beschäftigen, oder im Zweifelfall auch einen der NSA in Bad Aibling; Verfolgte jeder Art brauchen nicht mehr zu hoffen, aus dem "extraterritorialen" Gebiet des Frankfurter Flughafen herauszukommen; die wachsende Zahl obdachloser Menschen wird immer stärkeren Repressionen ausgesetzt; desorientierte Bürger verfallen in einen Rausch von Denunziation -- hinter jeder Normverletzung scheint schon der Untergang des aufgeklärten Abendlands zu lauern.
Nicht erst seit nach dem 11.9. alle Grenzen der Verletzung der informationellen Selbstbestimmung niedergerissen scheinen, beschäftigen sich linke Gruppen -- traditionell nach AusländerInnen das zweipopulärste Ziel von Lausch- und Repressionsaktionen -- mit diesem weiten Feld. Für heute hatte die AIHD einen "Aktionstag" am Akademieplatz angekündigt, der mit Infostand, Redebeiträgen und Agitproptheater der KonsumentInnenschar näherbringen wollte, dass Orwells 1984 kaum mehr als Dystopie gelten darf. Ihr Erfolg hätte größer sein dürfen, denn nur wenige BürgerInnen wagten einen zweiten Blick auf die bunte Schar. Das kleine Agitproptheater, das die Zusammenhäge zwischen der Überwachungsgesellschaft, der Privatisierung des öffentlichen Raums, dem Polizeistaat und der Festung Europa quasi multimodal umsetzte, konnte dann aber doch den einen oder die andere aus dem Kaufrausch reißen.
Erhebliche Aufmerksamkeit bekam der Infostand aber von einem Teilnehmer der gleichzeitig durch die Stadt ziehenden Demo für "Frieden und Gerechtigkeit für Palästina". Als am Stand ein "Friede auch für Israel"-Transparent aufgezogen wurde, fühlte dieser sich bemüßigt, die Antifas zu bespucken, bevor er von den OrganisatorInnen der Demo zur Vernunft gebracht werden konnte. Wer das verstehen will, möge bei telepolis nachlesen -- und versichert sein, dass die dort beschriebenen Zeloten nicht mehr in Heidelberg aktiv sind.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 25.05.2002