Prof=(2*Doktor-n)/3 (28.11.2001)

In unseren Spekulationen über das neue Budgetierungsmodell der Uni Heidelberg hatten wir uns an einer Prognose versucht, wie nach den Vorstellungen des Rekorats das Geld der Uni in Zukunft wohl verteilt werden soll. Im Wesentlichen, das sei schon verraten, hatten wir recht -- obwohl die "Öffnung interner Märkte" vorläufig noch nicht probiert wird, entwerfen die am Montag letzter Woche vorgestellten Pläne ein Horrorszenario der budgetgesteuerten Turbouni, dass wir nur noch die Ohren anlegen können.

Konkret sollen immerhin rund die Hälfte der bisherigen Institutsetats weiter garantiert sein, etwa ein Viertel soll "formelgesteuert" vergeben werden, das letzte Viertel schließlich "verhandlungsgesteuert". Pikant übrigens, dass die Vergütungen der Profs aus dem ganzen Spiel draußen bleiben, die von Angestellten oder anderen BeamtInnen hingegen nicht.

Fangen wir aber mit der Formelsteuerung an. In die besagte Formel kommen gewichtete Studierende, gewichtete Prüfungen, ungewichtete Drittmittel sowie Promotionen und Habilitationen, die, ganz klar, auch nicht gewichtet werden. In einem Rechenbeispiel bringt ein gewichteter Studi 400 Mark, eine gewichtete Prüfung 3500 Mark, 200000 Mark an eingeworbenen Drittmitteln 34000 Mark, eine Promotion 8000 Mark, eine Habilitation nochmal das Doppelte. Mensch ahnt schon, dass die Drittmitteleinwerbung eine kleinere Rolle spielt als von uns vorhergesagt.

Dafür sind die Gewichtungsformeln schon wieder aufschlussreich. Studis über dem zehnten Semester haben beispielsweise grundsätzlich das Gewicht Null. Ob sich ein Institut eine Handvoll von denen leisten kann, ist eine offene Frage. Liebe Profs, prügelt eure Langzeitstudis raus, weil Geld kriegt ihr eh keins für die. Ansonsten gibt es allerlei lustige Faktoren, die dazu führen, dass ein Mensch, der Physik auf Diplom studiert, 2.5 zählt, ein Nebenfachjurist hingegen nur 0.25. Unterschieden wird dabei -- interessanterweise -- nach Buch- und Naturwissenschaften. Neckisch zudem noch die Verrechnung des Auslastungsgrades, die über ein unten definiertes f stattfinden soll.

Ebenso hektisch klingt die Gewichterei bei den Prüfungen. Innerhalb der Regelstudienzeit abgelegt, zählen diese voll (einfach für Diplom, halb für Magister-Hauptfach, viertel für Magister-Nebenfach), danach gehts mit 20% pro Semester abwärts, bis nach vier Semestern der Sockel von 20% erreicht ist. Liebe Profs, prügelt eure Studis durch die Prüfung, denn ihr Wert fällt schneller als der des rumänischen Leu.

Reizend auch, was in der Formel nicht drinsteht: "Explizit verzichtet," so schreibt der theoretische Physiker Horner, Autor dieses Budgetierungsmodells, "wurde im formelgesteuerten Anteil auf die Berücksichtigung der Frauenförderung sowie den Ausbau des Ausländeranteils. Beide -- umstrittenen -- Ziele lassen sich nach Ansicht der Hochschulleitung besser durch andere, direktere Maßnahmen erreichen." Da fragt mensch sich doch:

  1. Inwiefern sind diese Ziele umstritten?
  2. Was unterscheidet diese Ziele von all den anderen, für die der Markt doch offenbar viel besser als die "direkteren Maßnahmen" funktionieren soll?
  3. Wie viele Semester werden wir die Regelstudienzeit überschreiten, bis wir diese "direkteren Maßnahmen" sehen werden?
  4. Ist die Hochschulleitung eine Zusammenkunft von Sexisten und Chauvinisten?

Zum verhandlungsorientieren Budgetanteil bleibt eigentlich nur zu sagen, was wir schon im oben zitierten Artikel vermutet haben: Es wird ein buntes Markttreiben geben, während hinter den Kulissen blutige Intrigen im Stil des Hofs Louis´ XIV ausgefochten werden -- der Rektor als Sonnenkönig. Zu den Kriterien, die da verhandelbar sein sollen, gehören "besondere Qualitäten in Forschung und Lehre" (aber wir dachten, das werde schon im Formelteil zweifelfrei und marktorientiert bestimmt?), "besondere Leistungen" (Horner hat offenbar noch nicht gelernt, dass in solchen Fällen der Präfix "spitz" oder die schlichte "Exzellenz" von Rektor Hommelhoff angebracht ist), "besondere infrastrukturelle Einrichtungen" (Bibliothek? Aufenthaltsraum für Studierende?) oder "Investition in zukünftige Leistungsbereiche" (aber über die sollte doch der Markt entscheiden?). Wer weiß, wie bereits heute atemberaubende Kämpfe um Plätze an der Sonne in allerlei Gremien, Quasigremien, Nicht-Gremien und Untergrundorganisationen der Uni stattfinden, fragt sich, wie überhaupt noch jemand Zeit haben soll, all die tollen Leistungen zu erbringen. Oder auch nur zu überleben, um damit anfangen zu können.

Nicht, dass wir der Kameralistik mit ihren bis auf den letzten Bleistift durchgeplanten Etats nachweinen. Die Finanzierung, gerade auch von MitarbeiterInnen und Hilfskräften, zu einem solchen Roulettespiel zu machen, der Versuch, hier eine politische Agenda über den Geldhahn durchzudrücken, das kann die Antwort auch nicht sein. Und, Herr Horner, Formeln wie

sind noch nicht mal eines/r ExperimentalphysikerIn würdig. Sie hätten wenigstens eine kleine Differentialgleichung unterbringen sollen in dem Plan.

Nachtrag (28.11.2001): Wie wir erfahren, wird die Kapazität eines Studiengangs laut KapVO in einer Weise berechnet, die etwas mit folgenden Formeln zu tun hat:

Der Redaktion gefallen diese Formeln besser. Zugeben müssen wir allerdings, dass die neue Formel von Horner dem Niveau der künftigen Bachelors angemessener scheint.

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Dieser Artikel wurde zitiert am: 13.04.2002, 29.01.2003, 02.04.2003, 16.04.2003, 11.06.2004, 13.10.2004, 23.11.2005