Bekanntermaßen sind die deutschen Universitäten unter aller Kanone: Die Professoren verbeamtete Faulpelze, die Verwaltungen unfähig, die Studenten entweder Blutegel an Steuerzahlers Tasche oder schlicht strohdumm. Und an den konservativen Unis ist alles gleich doppelt schlimm, sind sie doch diejenigen Größen, welche die längst überfällige Reform des Bildungswesens obstruieren, unterminieren, zersetzen. Da erscheint es fast wie ein Wunder, wenn ein qua Amt zur Reform Berufener sich dazu herabläßt, die Stätten der Reaktion nicht nur besuchen, nein, sondern sie sogar - mit einem Preis auszeichnet.
Doch der Reihe nach: Es ist Montag, der 21.1., 15.00: Gespannt betreten wir die Alte Aula, wo Wissenschaftsminister Frankenberg in Kürze den Landeslehrpreis verleihen wird, und fragen uns, was Prof. Dr. Karlheinz Sonntag und Privatdozent Dr. Niclas Schaper (Fakultät für Sozial- und Verhaltenswissenschaften) Gigantisches geleistet haben mögen, daß der allergnädigste Blick aus Stuttgart einmal keine Kürzungen, sondern Gratifikationen beschlossen hat. Aber Geduld, zuerst muß die Capella Carolina das Ereignis festlich einleiten.
Als die Lieder geendet haben, tritt der Rektor der Ruperta Carola ans Rednerpult, und wißbegierig hängen wir uns an Herrn Hommelhoffs Lippen. Wofür gibt es den Preis denn dieses Jahr? Bestimmt wieder für CD-ROM-Präsentationen. Aber Ruhe jetzt.
Mit gewichtiger Stimme wird dem Publikum mitgeteilt, daß die Forschung eine unabdingbare Voraussetzung für die gelungene Lehre darstellt. Und daß nur lehren soll, wer auch gut forscht. Weil nur Forscher die Studenten nicht nur belehren, sondern auch in die Forschung einbeziehen können. In diesem Sinne: Herzlichen Glück-wunsch an Herrn Prof. Dr. Karlheinz Sonntag und Herrn Privatdozent Dr. Niclas Schaper. So. Jetzt spricht der Herr Minister. Als Hommelhoff vom Pult herabsteigt, sehen wir uns leicht konsterniert in die Augen: Das hätten wir uns fast selbst denken können. Aber bestimmt weiß Meister Frankenberg, warum der Preis verliehen wird. Und ganz sicher wird er es uns auch gleich mitteilen.
Die Universitäten, so erfahren wir, müssen reformiert werden. Neue, gestufte Studiengänge sind zu erstellen, ohne die alten aber gleich abzuschaffen. Es wird Zeit für Juniorprofessoren. Und für Wettbewerb. Die Universitäten sollen endlich ihre Studierenden selbst aussuchen dürfen. Und die Studenten sollen unter den besten Universitäten wählen können. Aber dafür gibt es ja ihn, den Herrn Frankenberg. Und den Landeslehrpreis. Herzlichen Glückwunsch an Herrn Prof. Dr. Karlheinz Sonntag und Herrn Privatdozent Dr. Niclas Schaper.
Als der Minister daraufhin mit strahlender Miene den Preisträgern entgegen schreitet, werden wir leicht unsicher. Wofür kriegen die das ganze Geld und die Ehrenurkunde? Für den Wettbewerb zwischen den Unis oder für die Juniorprofessur? Hoffentlich wird die nun folgende Darbietung von Herrn Prof. Dr. Karlheinz Sonntag unsere Fragen beantworten.
Der Herr Professor hält einen Vortrag über Betriebspsychologie und was man damit alles anstellen kann. Seine Vorstellung wird untermalt von einem Menschen am Laptop, der mittels PowerPoint bunte Grafiken sowie das Konterfei einer Maschine ungewisser Herkunft und Bestimmung an die Leinwand wirft. Jetzt gehen bei uns endgültig die Lichter aus. Müssen die Betriebspsychologen jetzt die Maschine betreuen, den der sie bedient, oder den, der ihretwegen seinen Job verloren hat? Und was hat der Landeslehrpreis damit zu tun?
So viele Fragen und keine Antworten. Einander die Hände schüttelnd verlassen Minister, Rektor, Preisträger und Publikum die Aula, um dem Sektempfang (mit Häppchen) entgegenzustreben. Langsamen Schrittes folgen wir ihnen und quälen uns: Warum das alles? Wofür wurde der Preis verliehen? Sieht so eine Bildungsreform aus?
Wir werden es wohl nie erfahren.
Die Darstellung des Rektors
Und so sah der Minister das Ereignis
Und wer die Frage beantworten will, welcher Veränderungstyp die Uni ist, lese den Vortrag von Herrn Landeslehrpreisträger Sonntag.
Dieser Artikel wurde zitiert am: 26.03.2003